Welche Bibel soll ich lesen?

Während der Grundtext im Alten Testament sehr einheitlich bezeugt ist und kaum Fragen offenlässt, wird die Frage nach dem korrekten Grundtext für das Neue Testament von Bibelübersetzungen heiß debattiert. Ist der überlieferte Mehrheitstext zuverlässig, der rund 1500 Jahre lang Standard war, in der Reformation als Textus receptus Verbreitung fand und sich auf eine überwältigend große Mehrheit der existierenden Manuskripte (byzantinischer Text) stützt? Oder ist es der sogenannte wissenschaftliche Text, der im Wesentlichen auf wenigen, in jüngerer Zeit entdeckten, sehr alten Handschriften aus Ägypten beruht (alexandrinischer Text) und aufgrund seiner Vers-für-Vers-Auswahlmethode eine künstliche Zusammenstellung aus unterschiedlichen Manuskripten darstellt?

Auf beiden Seiten veröffentlichen die Befürworter zahlreiche Schriften, um ihre jeweiligen Ansichten zu verteidigen. Tausende von Seiten an Beweismaterial werden zu dem Thema zusammengestellt, doch scheint die Polarisierung dadurch nur größer zu werden. Wer einmal in diese Debatte hineingezogen wird, gerät in einen Strudel, der ihn zu verschlingen droht. Wie verlockend ist es da, die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen mit den Worten: „Ist das denn wirklich so wichtig?“

Natürlich sind in solchen Diskussionen auch immer extreme Ansichten vertreten. So gibt es Geschwister, die nur die King James Version (KJV) gelten lassen, andere hingegen befürworten nur die New International Version (NIV). Beide aber behaupten, ihre Übersetzung gebe die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Gottes am genauesten wieder. Ich erinnere mich an einen lieben Bruder in meinem Heimatland, der sich an seine Niederländische Bibelübersetzung hielt mit der Begründung: „Wenn Niederländisch für Paulus gut genug war, ist es auch für mich gut genug.“

Wer die KJV vertritt, wird auf die vielen fehlenden Verse, die zahlreichen Änderungen und teilweisen Auslassungen moderner Übersetzungen verweisen und fassungslos beklagen, die Gegenseite erkenne diesen doch so kristallklaren Punkt einfach nicht. Die Befürworter neuer Übersetzungen werden auf andere Schriftstellen verweisen, in denen ähnliche Aussagen wie in den fehlenden Texten stehen, und feststellen, es seien nur unnötige Wiederholungen beseitigt worden. Außerdem seien diese Wiederholungen möglicherweise durch Übertragungsfehler der Schreiber entstanden, wie einige ältere Manuskripte zu bestätigen scheinen. Die modernen Bibeln seien leichter zu verstehen, und die ganze Aufregung um kleine Details raube dem Wort Gottes seine Schönheit. Bibelwissenschaftler, die sich für die neuen Übersetzungen aussprechen, stützen sich allerdings gänzlich auf die „ältesten Manuskripte“, die überwiegend die modernen Übersetzungen bestätigen. Einige dieser Manuskripte wurden erst kürzlich entdeckt und werfen angeblich ein völlig neues Licht auf die ganze Sache.

Als ich Christ wurde, lernte ich die wunderbare Botschaft der Erlösung durch Christus in der NIV kennen. In der NIV fand ich Christus und wurde zur Buße geführt. Wie wichtig kann es da sein, welche Bibelübersetzung ich benutze? Martin Luther fand Christus in der lateinischen Vulgata(-Bibel) und konnte durch sie die Erlösung in Christus durch den Glauben an den Sohn Gottes annehmen. Welche Rolle spielten die verschiedenen Bibelübersetzungen für ihn? Wyclif, der Morgenstern der Reformation, übersetzte die Vulgata in die englische Sprache. Seine Übersetzung wurde nie gedruckt, es gab nur wenige Abschriften. War Gott in dieser Arbeit mit ihm? War es wichtig, welchen Text er benutzte? Später übersetzten Tyndale und Martin Luther die Bibel nach dem griechischen Text von Erasmus und gaben ihren damaligen Landsleuten das Wort Gottes in ihrer Muttersprache. War es wichtig, welchen Grundtext sie benutzten? War Gott in dieser gewaltigen Aufgabe mit ihnen? Oder ist das alles nicht so wichtig? Beging Gott einen Fehler, als er die ersten Reformatoren zunächst mit dem arbeiten ließ, was ihnen vertraut war, bevor er ihnen neues Licht zukommen ließ?

Spr 4,18 SCH Aber der Pfad des Gerechten ist wie der Glanz des Morgenlichts, das immer heller leuchtet bis zum vollen Tag.

Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass diese Fragen durchaus wichtig sind. Andererseits ist mir klar, dass selbst noch so viele Argumente niemanden zu einem Seitenwechsel bewegen werden. Dafür ist ein Paradigmenwechsel notwendig. Weiter habe ich erkannt, dass die Überlieferung biblischer Manuskripte aus zwei völlig unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden kann, die das jeweilige Paradigma (Denkmuster) bestimmen.

Ich muss an meine Zeit als Evolutionist zurückdenken. Ich war völlig von der darwinistischen Evolution überzeugt, weil die Wissenschaft sie meiner Meinung nach bewiesen hatte. Alle Fakten, die uns während meiner Karriere an der Universität vorgelegt wurden, stützten das evolutionistische Weltbild eindeutig und wurden so nachdrücklich präsentiert, dass Zweifel gar nicht erst aufkamen. Die Erde und das von ihr genährte Leben hatten sich über Millionen von Jahren entwickelt – darüber waren sich alle Wissenschaftszweige einig. Wie könnten auch tausende Wissenschaftler und ausgebildete Fachmänner weltweit falschliegen?

Als ich jedoch von der Wahrhaftigkeit der Bibel überzeugt wurde, änderte sich das. Es war keine plötzliche Veränderung, denn zunächst war ein gewaltiger Gedankenumbruch notwendig, um überhaupt die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, meine evolutionistische Einstellung könnte revisionsbedürftig sein. Ich musste mich völlig von meinen Überzeugungen lösen, um erst einmal zugeben zu können, dass alle sogenannten Beweise für die Evolutionstheorie auf Interpretationen und Mutmaßungen beruhten, auch wenn sie noch so vernünftig klangen. Dieselben Daten können, wenn sie aus einer ganz anderen Perspektive gedeutet werden, mit der Bibel perfekt übereinstimmen. Nicht die Daten, sondern der Blickwinkel hatte sich verändert. Ich erkannte auch, dass Fakten und Argumente die andere Seite dieser Paradigmenkluft nur selten überzeugen, denn geistliche Dinge werden geistlich erkannt.

Ist es wichtig, aus welcher Perspektive ich Informationen betrachte? Spielt es eine Rolle, ob ich sie im Licht des Wortes Gottes oder eher naturalistisch interpretiere? Natürlich! Ich wünschte, meine ehemaligen atheistischen Freunde könnten die Dinge so sehen, wie ich sie heute sehe, und den Schöpfer aller Dinge und die Schönheit seines Charakters kennenlernen, damit sie statt einer Leere, die zu nichts führt, die gleiche Hoffnung hätten wie ich. Werden sie sich die Fakten anhören? Nein! Es muss etwas anderes geschehen – der Geist Gottes muss ihr Herz berühren, bevor sie zuhören und verstehen können. Somit ist Erlösung immer das Werk Gottes. Weder unser Wissen noch unsere Redegewandtheit können das Herz ändern, damit wir uns nicht rühmen.

Ich glaube, ein ähnlicher Deutungsansatz wird heute von den Textkritikern und Wissenschaftlern auf biblische Manuskripte angewandt, ohne dass sie merken, wie ihre Methoden, Vorannahmen und Grundsätze ihrer Disziplin sie beeinflussen. Die wissenschaftliche Arbeit wird von dem ökumenischen Klima, in dem wir leben, geformt und geprägt. Die Auslegung der Geschichte ist sehr subjektiv. Oft werden mithilfe derselben Fakten total gegensätzliche Standpunkte begründet. Und mit der Zeit werden selbst uralte Konflikte und Feindschaften von nachfolgenden Generationen vergessen. Geschichtsbücher lassen sich umschreiben, und wo eine Generation ihr Leben gab, wird dies von der nächsten als lächerlich und unverantwortlich angesehen.

Das gilt auch für die Bibel. Gegenstand der Debatte ist dabei nicht die Wahrhaftigkeit der Bibel oder gar ihre Grundlehren, sondern die Echtheit der Manuskripte, auf denen sie basiert. Die heutigen Protestanten haben nicht nur die Lehren der katholischen Gegenreformation über Prophetie voll und ganz geschluckt. Sie benutzen auch dieselben römischen Manuskripte, die von den protestantischen Reformatoren und dem ganzen Volk Gottes in den langen, finsteren Jahrhunderten des Abfalls abgelehnt worden sind. Ein selten erwähnter Vorteil der reformatorischen Bibeln ist, dass sie in einer Zeit übersetzt wurden, als Gottes Volk diese finstere Zeit gerade hinter sich ließ und nur zu gut um den Unterschied zwischen römischem Katholizismus und Protestantismus wusste. Das ist nicht mehr der Fall, denn die ökumenischen Protestanten von heute kehren wieder nach Rom zurück.

Es wäre allerdings viel zu eng, bloß die Frage zu stellen, ob „allein die King James“ oder „meine moderne Lieblingsbibel“ die bessere Wahl ist. Jede Übersetzung beruht auf alten Manuskripten, und die eigentliche Frage lautet: Welche Manuskripte repräsentieren Gottes Wort? Welche Manuskripte fassen das, was Gott gesagt hat, am genauesten in Worte – die westlichen, alexandrinischen oder byzantinischen?

In meinem Studium der Bibel und des Geistes der Weissagung entdeckte ich, dass der große Kampf, wie wir ihn im inspirierten Bericht der Geschichte von Gottes Volk und Seinem geschriebenen Wortes sehen, nicht nur Christi Kampf gegen Satan beschreibt, sondern auch den Kampf der Gläubigen als Hüter des geschriebenen Wortes und der darin enthaltenen Wahrheiten.

Offenbarung 12 gewährt uns einen Panoramablick auf den gesamten Werdegang des großen Kampfes zwischen Christus und Satan, von den Anfängen im Himmel bis zu seinem Abschluss auf der Erde. In diesem Streit zwischen Gut und Böse spielt Gottes Wort eine zentrale Rolle, denn es zeigt uns heute noch ebenso klar, was Gott wirklich gesagt hat, wie damals im Garten Eden. Unser Feind ist derselbe listige Widersacher, der schon damals die Worte Gottes ins Gegenteil verkehrte und der die messianischen Prophezeiungen beim ersten Kommen Jesu so verzerrt hatte, dass sie ihre Autorität und Kraft zu diesem lebenswichtigen Thema verloren hatten. In dem zeitlosen Klassiker Das Leben Jesu fasst Ellen White Satans Strategie wie folgt zusammen:

DA 98 Als das geschriebene Wort Gottes gegeben wurde, erforschte Satan die Prophezeiungen vom Kommen des Heilandes. Von Geschlecht zu Geschlecht bemühte er sich, die Menschen gegen diese Weissagungen blind zu machen, damit sie den Messias bei seinem Kommen verwürfen.

DA 450 Viele unter Christi Zuhörern, die in Jerusalem wohnten und von den Anschlägen wussten, die die Oberen des Volkes gegen ihn schmiedeten, fühlten sich mit unwiderstehlicher Kraft von ihm angezogen. Schwer lastete auf ihnen die Gewissheit, dass er der Sohn Gottes war. Doch Satan war entschlossen, Zweifel zu säen. Der Weg dazu war durch ihre eigenen irrigen Vorstellungen vom Messias und seinem Kommen vorbereitet …

452 Die klaren prophetischen Worte wurden derart entstellt, dass sie den Irrtum bekräftigten … Heute werden viele in der gleichen Weise irregeführt wie damals die Juden. Geistliche Lehrer lesen die Bibel im Lichte ihres eigenen Verständnisses oder der überlieferten Anschauungen. Die Menschen forschen nicht in der Heiligen Schrift und beurteilen nicht selbst, was Wahrheit ist. Sie verzichten auf eine eigene Meinung und liefern sich ihren führenden Männern aus. Sein Wort zu predigen und zu lehren ist eines der Mittel, die Gott für die Ausbreitung der Wahrheit vorgesehen hat. Aber alles, was Menschen lehren, müssen wir anhand der Bibel prüfen.

Wenn das, was Gott wirklich gesagt hat, verdunkelt und unverständlich gemacht wird, ist die Frucht davon Ungehorsam und Unwissenheit, heute ebenso wie in der Vergangenheit. Die heutige Gesellschaft ignoriert oder verdreht die einfachsten Aussagen der Schrift über den Ursprung der Welt und zahlreiche soziale Themen, die für eine moderne Gesellschaft wesentlich sind, von Abtreibung bis zu Schwulenrechten. Die Debatten erfassen sämtliche politische und kirchliche Lager, und es gibt so viele Meinungen, wie es Gruppen gibt. Was Gott tatsächlich gesagt hat, scheint weniger wichtig zu sein, als was er unserer Auffassung nach dabei gemeint hat.

Noch schlüpfriger wird die Sache, wenn wir anfangen abzustreiten, dass Gott es überhaupt gesagt hat, weil es sich eher um einen Abschreibfehler oder sogar eine absichtliche Ergänzung handelt. Denn sollte jemand die Schrift verdrehen wollen, wäre es naheliegend, bewusste Änderungen in Gottes Wort einzubringen. Doch wo bleibt da der Gläubige, der sein Vertrauen auf Gottes Wort setzen möchte? Glaube an das Wort Gottes setzt Glauben an die Bewahrung des Wortes voraus. Das eine ohne das andere wäre wie ein Haus, das auf Sand gebaut ist. Gott kann nicht Gehorsam gegenüber einem Wort erwarten, das uns gar nicht unbeschädigt erreicht. Es ist daher unerlässlich, dass Er die Schrift in unverfälschter Form bewahrt hat, damit wir ihren Anforderungen nachkommen können. Wenn manche Manuskripte trotzdem bewusst verändert wurden, müsste dafür gesorgt sein, dass eine klare Grenze zwischen den verdorbenen und reinen Manuskriptfamilien erkennbar ist.

Während des „großen Abfalls“ in nachapostolischer Zeit und den 1260 Jahren päpstlicher Vorherrschaft fanden Ketzereien aller Art Eingang in die Kirche. Ellen White beschreibt, wie Gott in dieser Zeit des Abfalls sein Wort schützte und wer die Hüter seines Wortes waren:

GK 69 Satan hatte die päpstlichen Priester und Prälaten dazu gedrängt, das Wort der Wahrheit unter dem Schutt des Irrtums, der Ketzerei und des Aberglaubens zu begraben; doch es wurde in höchst wunderbarer Weise in dem finsteren Zeitalter unverfälscht bewahrt.

GK 64 Der Glaube, der Jahrhunderte hindurch von den Waldensern bewahrt und gelehrt wurde, stand in scharfem Gegensatz zu den von Rom verkündeten Lehrsätzen. Ihre religiöse Auffassung gründete sich auf das geschriebene Wort Gottes, auf die Grundsätze des wahren Christentums. Doch waren jene einfachen Landleute in ihren dunklen Zufluchtsorten, abgeschlossen von der Welt und an ihre täglichen Pflichten unter ihren Herden und in ihren Weingärten gebunden, nicht von selbst zu der Wahrheit gekommen, die im Widerspruch zu den Lehrsätzen und Irrlehren der gefallenen Kirche stand; ihre religiöse Überzeugung war nicht erst neu angenommen worden, sondern sie war ein Erbgut ihrer Väter. Sie kämpften für den Glauben der apostolischen Kirche, „der einmal den Heiligen übergeben ist“ (Jud 3). Die Gemeinde in der Wüste und nicht die stolze Priesterherrschaft auf dem Thron Roms war die wahre Gemeinde Christi, der Wächter der Schätze der Wahrheit, die Gott seinem Volk anvertraut hatte, um sie der Welt zu übermitteln …

65 Die Waldenser gehörten mit zu den ersten Völkern Europas, die in den Besitz einer Übersetzung der Heiligen Schrift gelangten. Jahrhunderte vor der Reformation besaßen sie eine Abschrift der Bibel in ihrer Muttersprache; damit besaßen sie die Wahrheit unverfälscht und zogen sich dadurch in besonderer Weise Hass und Verfolgung zu. Sie erklärten die römische Kirche für das abtrünnige Babylon aus der Offenbarung und erhoben sich unter Gefahr ihres Lebens, um seinen Verführungen zu widerstehen. Unter dem Druck einer langanhaltenden Verfolgung wurden etliche in ihrem Glauben schwankend und ließen nach und nach seine unterscheidenden Grundsätze fahren; andere hielten an der Wahrheit fest. Auch in den finsteren Zeiten des Abfalls gab es Waldenser, die die Oberherrschaft Roms bestritten, die Bilderverehrung als Götzendienst verwarfen und den wahren Sabbat feierten. Unter den grimmigsten Stürmen des Widerstandes bewahrten sie ihren Glauben. Obwohl von savoyischen Speeren durchbohrt und von römischen Brandfackeln versengt, standen sie unentwegt für Gottes Wort und Gottes Ehre ein.

Weiter sagt Ellen White durch den Geist der Weissagung:

EW 220 Ich sah, dass Gott die Bibel besonders behütet hat. Als es aber erst wenige Abschriften gab, haben gelehrte Männer in manchen Fällen den Wortlaut verändert, weil sie meinten, für mehr Klarheit zu sorgen, während sie tatsächlich verdunkelten, was bereits klar war, weil sie es ihrer eigenen, von der Tradition bestimmten Sichtweise anglichen.

Diese Änderungen am Wort Gottes wurden im 4. Jh. von Männern wie Origenes, Eusebius und Hieronymus vorgenommen. Auch heute noch ändern studierte Menschen den Wortlaut der Bibel in der Meinung, sie verständlicher zu machen, während die Bedeutung tatsächlich unklarer wird, weil sie menschlichen Auffassungen angepasst worden ist. Ellen White schreibt:

GK 246 Während Luther dem deutschen Volk die Bibel erschloss, wurde Tyndale vom Geist Gottes angetrieben, das gleiche für England zu tun. Wyclifs Bibel war aus dem lateinischen Text übersetzt worden, der viele Irrtümer enthielt. Man hatte sie nie gedruckt; und der Preis eines geschriebenen Exemplars war so hoch, dass außer den Reichen oder Adligen nur wenige sie sich verschaffen konnten. Da die Kirche sie überdies aufs schärfste geächtet hatte, war diese Ausgabe nur verhältnismäßig wenig verbreitet. Im Jahre 1516, ein Jahr vor Luthers Thesenanschlag, hatte Erasmus seine griechische und lateinische Fassung des Neuen Testaments veröffentlicht, und damit wurde das Wort Gottes zum ersten Mal in der Ursprache gedruckt. In diesem Werk sind viele Irrtümer der früheren Fassungen berichtigt und der Sinn deutlicher wiedergegeben. Dies führte viele der gebildeten Klassen zu einem besseren Verständnis der Wahrheit und gab den reformatorischen Bestrebungen neuen Auftrieb. Doch den meisten Menschen aus dem gewöhnlichen Volk war das Wort Gottes noch immer unzugänglich. Tyndale sollte Wyclifs Werk vollenden und seinen Landsleuten die Bibel geben.

Wyclif besaß keine griechischen Manuskripte, nach denen er seine Bibel hätte übersetzen können, daher benutzte er als Grundtext die lateinische Vulgata, die „viele Irrtümer enthielt“. Beging Gott einen Fehler, als er Wyclif inspirierte, die Bibel nach einem fehlerhaften Text zu übersetzen? Ich glaube nicht. Die Zeit war gekommen, einen Hunger nach Gottes Wort in den Menschen zu wecken. Die Druckkunst war zur Zeit Wyclifs noch nicht erfunden worden, daher musste der ursprünglich übersetzte Text mühevoll abgeschrieben werden und konnte nur sehr begrenzt verbreitet werden – doch genau das weckte das Verlangen nach Gottes Wort und bereitete den Weg für das Kommende.

Welches Wort gab Tyndale seinen Landsleuten, um das Werk zu vollenden, das Wyclif begonnen hatte? Benutzte er nicht den Textus receptus [die damalige Version des byzantinischen Mehrheitstextes], wie der griechische Text von Erasmus auch genannt wurde, als Grundlage für seine Übersetzung? Die Druckkunst war gerade erfunden worden, und die Pressen liefen Tag und Nacht, um durch die Schriften Luthers und anderer Reformatoren ein Feuer anzuzünden, das den Unrat des Aberglaubens und finsteren Mittelalters verzehren sollte. Erregte dieses Werk nicht den Zorn Roms? Führte es nicht zu Krieg und Blutvergießen bis hin zu dem Punkt, dass die spanische Armada ausgesandt wurde, um es aufzuhalten?

Die römischen Lehren können dem prüfenden Wort Gottes nicht standhalten. Doch jetzt war die Bibel dem Volk in seiner eigenen Sprache zugänglich, und selbst ein Bauer konnte es zu mehr Bibelkenntnis bringen als Päpste und Prälaten, denen die Liebe zur Macht wichtiger war als die Macht der Liebe. Kampf und Blutvergießen blieben erfolglos. Es war offensichtlich, dass Roms Krieg gegen Gottes Wort gerichtet war. Um dieses Stigma loszuwerden, behauptete Rom, nicht gegen das Wort zu kämpfen, sondern gegen die „verfälschte protestantische Bibel“. Die Jesuiten wurden beauftragt, eine römische Gegenbibel zu schreiben, die sogenannte Douay-Bibel. Die Douay basiert auf der Vulgata von Hieronymus und dem Codex Vaticanus, die beide im 4. Jh. entstanden waren – dem Jahrhundert des Abfalls, in dem sämtliche Winde der Lehre in der Kirche bliesen. Über den schleichenden Fortschritt des Abfalls in der frühen Gemeinde und besonders die Ereignisse des 4. Jh. schreibt Ellen White:

GK 49f. Das Geheimnis der Bosheit führte nach und nach, erst verstohlen und stillschweigend, dann, als es an Kraft zunahm und die Herrschaft über die Gemüter der Menschen gewann, offener sein betrügerisches und verderbliches Werk aus. Beinahe unmerklich fanden heidnische Gebräuche ihren Weg in die christliche Gemeinde. Zwar wurde der Geist des Ausgleichs und der Anpassung eine Zeitlang durch die heftige Verfolgung, die die Gemeinde unter dem Heidentum zu erdulden hatte, zurückgehalten; als aber die Verfolgung aufhörte und das Christentum die Höfe und Paläste der Könige betrat, vertauschte es die demütige Schlichtheit Christi und seiner Apostel mit dem Gepränge und dem Stolz der heidnischen Priester und Herrscher und ersetzte die Forderungen Gottes durch menschliche Theorien und Überlieferungen. Mit der angeblichen Bekehrung Konstantins Anfang des vierten Jahrhunderts, die große Freude auslöste, fanden jedoch unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit weltliche Sitten und Gebräuche Eingang in die Kirche. Das Verderben schritt jetzt schnell voran. Das Heidentum wurde, während es besiegt schien, zum Sieger. Sein Geist beherrschte die Kirche. Seine Lehren, seine Zeremonien und seine Abgöttereien wurden mit dem Glauben und der Gottesverehrung der erklärten Nachfolger Christi vermischt.

GK 52f. Anfang des vierten Jahrhunderts erließ Kaiser Konstantin eine für das ganze Römische Reich gültige Verordnung, der zufolge der Sonntag als öffentlicher Festtag eingesetzt wurde. Der Tag der Sonne wurde von den heidnischen Untertanen verehrt und von den Christen geachtet, und der Kaiser verfolgte die Absicht, die widerstreitenden Ansichten des Christentums und des Heidentums zu vereinen. Er wurde dazu von den Bischöfen der Kirche gedrängt, die, von Ehrgeiz und Machtgier beseelt, einsahen, dass den Heiden die äußerliche Annahme des Christentums erleichtert und somit die Macht und Herrlichkeit der Kirche gefördert würde, wenn sowohl Christen als auch Heiden den gleichen Tag heilighielten. Aber während viele fromme Christen allmählich dahin kamen, dem heidnischen Sonntag einen gewissen Grad von Heiligkeit beizumessen, hielten sie doch den wahren Sabbat dem Herrn heilig und beachteten ihn im Gehorsam gegen das vierte Gebot.

GK 574f. Da sich der kaiserliche Befehl nicht als genügendes Ersatzmittel für die göttliche Autorität erwies, stellte Eusebius, ein Bischof, der die Gunst der Fürsten suchte und ein besonderer Freund und Schmeichler Konstantins war, die Behauptung auf, dass Christus den Sabbat auf den Sonntag verlegt habe. Kein einziges Zeugnis der Schrift wurde als Beweis für die neue Lehre angeführt. Selbst Eusebius bekannte offen, dass sie falsch wäre, und wies auf den wirklichen Urheber dieser Veränderung hin, indem er sagte: „Alles, was man am Sabbat zu tun verpflichtet war, haben wir auf den Tag des Herrn übertragen.“ Aber so unbegründet die Einsetzung des Sonntags auch war, diente sie doch dazu, die Menschen zu ermutigen, den Sabbat des Herrn mit Füßen zu treten. Alle, die von der Welt geehrt werden wollten, nahmen den volkstümlichen Festtag an.

Die hier erwähnten Personen waren es auch, die eine Bibel mit den Verfälschungen von Origenes zusammenstellten. Der Codex Vaticanus und Codex Sinaiticus sind die „ältesten und zuverlässigsten“ Manuskripte, die uns von dieser Bibel erhalten geblieben sind.

Die zahlreichen Fehler der Vulgata brauchen wir nicht näher zu beleuchten. Dennoch bilden Vulgata und Vaticanus (Codex B) die Grundlage der römisch-katholischen Bibelübersetzungen. Der von Westcott und Hort erstellte Text basiert großteils auf dem Codex Vaticanus, der im berüchtigten 4. Jh. geschrieben wurde. Peter S. Ruckman schreibt:

Der Text von Westcott und Hort ist im Wesentlichen der römisch-katholische Vaticanus (B). Bis auf die katholischen Schreiber hat kein Bibelforscher je mit ihm gearbeitet. (The Christian Handbook of Manuscript Evidence, S. 24)

George Burnside bemerkte, dass Westcott und Hort den Codex Vaticanus als „neutralen Text” bezeichneten, der auf einem „Meer der Reinheit“ bewahrt geblieben sei (können wir den Vatikan als „Meer der Reinheit“ bezeichnen?). In diesem Manuskript fehlen 1. Mose 1 – 46,28; ebenso fehlen Psalm 106 – 138; Matthäus 16,2-3; Römer 16,24; die meisten paulinischen Briefe, der Hebräerbrief nach Kap. 9,14 sowie die gesamte Offenbarung. Damit wurden der Anfang und das Ende der Bibel sowie etliche Mittelteile entfernt, und um den Mangel auszugleichen, wurden die Apokryphen sowie der Barnabasbrief hinzugefügt, die sich auch im Codex Sinaiticus befinden (der Katholischen Enzyklopädie zufolge dient der Codex Sinaiticus sogar als Quelle dieser Texte). Der Vaticanus lässt 1 491 ganze Teilsätze aus und trägt auf jeder Seite Zeichen eines schlampigen Kopisten: Verglichen mit dem Textus receptus fehlen 2 877 Worte, 536 Worte wurden hinzugefügt, 935 Worte durch andere ersetzt und 2 098 Worte abgeändert – zusammen sind das 7 578 Unterschiede! Beim Sinaiticus sieht es noch schlimmer aus (siehe Burnside, The New International Version or the King James Version, S. 163). Interessante Fakten angesichts der biblischen Aufforderung:

5Mo 4,2 SCH Ihr sollt nichts hinzufügen zu dem Wort, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon wegnehmen, damit ihr die Gebote des Herrn, eures Gottes, haltet, die ich euch gebiete.

Dem Textforscher Herman Hoskier zufolge widersprechen sich die zwei „zuverlässigsten“ und „ältesten“ Kodizes (Sinaiticus und Vaticanus) ironischerweise allein in den Evangelien 3 036-mal! (Codex B and its Allies, Bd. 2)

Rom kanonisierte die Apokryphen und billigte natürlich auch die Aussagen im Barnabasbrief über die Verlegung des Sabbats auf den Sonntag, um die eigenen Ansprüche zu untermauern. Dieses sogenannte „reine“ Manuskript (Vaticanus), das angeblich auf einem „Meer der Reinheit“ bewahrt wurde, ist vielmehr voll von unglaublichem Unsinn, wie folgende Zitate aus dem Barnabasbrief zeigen:

Aber auch den Hasen sollst du nicht essen. Weshalb? Er will sagen, du sollst kein Knabenschänder werden noch solchen ähnlich werden, weil der Hase jedes Jahr seinen After vervielfältigt; denn so viele Jahre er lebt, so viele Öffnungen hat er. Aber auch die Hyäne sollst du nicht essen. Er will sagen, du sollst kein Ehebrecher oder Knabenschänder oder etwas Derartiges werden. Weshalb? Weil dieses Tier jährlich sein Geschlecht ändert und bald männlich, bald weiblich wird. Aber auch das Wiesel verfolgt sein Hass mit gutem Grunde; er will sagen, du sollst nicht werden wie Leute, von denen man hört, dass sie aus Lasterhaftigkeit mit dem Munde Unzucht treiben, und du sollst nicht mit den verdorbenen Weibern verkehren, die mit ihrem Munde das Böse tun; denn dieses Tier wird durch den Mund schwanger. (Barnabasbrief, Kap. X)

Das ist mit Sicherheit die armseligste biologische Abhandlung, die je geschrieben wurde. Auch die Verfälschung des Sabbats, wie Konstantin sie erzwang, wird in dieses Dokument geschickt eingeflochten:

Zudem aber sagt er ihnen: Eure Neumonde und eure Sabbate ertrage ich nicht mehr. Sehet, wie er sagt: Nicht die jetzigen Sabbate sind mir angenehm, sondern den ich eingesetzt habe, an dem ich, nachdem ich alles beendigt habe, den Anfang des achten Tages, das heißt den Beginn einer anderen Welt ansetzen werde. Deshalb begehen wir auch den achten Tag in Freude, an dem auch Jesus von den Toten auferstanden und, nachdem er sich offenbart hatte, in den Himmel aufgestiegen ist. (Barnabasbrief, Kap. XV)

Die moderne Bibelkritik ist ein nachreformatorisches Phänomen. Die Frage, wer die Hüter des wahren Wortes Gottes waren, beeinflusst dabei das Ergebnis maßgeblich. Heutige Übersetzungen basieren größtenteils auf den Texten des Codex Vaticanus und Codex Sinaiticus (den vatikanischen Texten) sowie einer Handvoll Unzialschriften, denen zahlreiche anderslautende Manuskripte gegenüberstehen. Der Codex Vaticanus war Hauptzeuge der gegenreformatorischen Bibel, und bildet gemeinsam mit dem Sinaiticus das Bollwerk der modernen Übersetzungen.

Man erinnere sich an den Aufruhr, den die Neue-Welt-Übersetzung der Zeugen Jehovas bei ihrer Erstveröffentlichung aufgrund ihrer zahlreichen Änderungen, Auslassungen und Verdrehungen verursachte. Es ist faszinierend, dass im Vorwort die Quelle ihrer Inspiration klar benannt wird:

Der griechische Text, der unserer Neuen Welt Übersetzung zugrunde liegt, ist der weit verbreitete und anerkanntermaßen vortreffliche Text von Westcott und Hort (1881). Wir haben jedoch auch andere Texte berücksichtigt, darunter die Texte von D. Eberhard Nestle sowie von den jesuitischen Gelehrten José María Bover (Spanien) und A. Merk. Wo wir von Westcott und Hort abgewichen sind, wird in der Fußnote begründet, warum wir einen anderen Text bevorzugt haben. Um den Hintergrund unserer Textwiedergabe besser zu beleuchten, verweisen die Fußnoten auf die ältesten Manuskripte und Übersetzungen, die wir herangezogen haben. (The Kingdom Interlinear Translation of the Greek Scriptures, S. 9)

Die Grundlage der modernen Bibelübersetzungen ist der Nestle-Aland-Text, der auf den oben beschriebenen Manuskripten beruht. Tatsächlich hat Nestle dies mit seiner eindeutigen Aussage „Das vatikanische Manuskript ist allen anderen Manuskripten vorzuziehen“ bestätigt (Ruckman, Christian Handbook, S. 25). Des Weiteren geben beide zu, dass ihr Text die Ökumene berücksichtigt und sich als dynamischer (sich ändernder) Text den Ansprüchen der Ökumene anpasst. 1968 trafen UBS (Vereinte Bibelgesellschaften) und der Vatikan die Vereinbarung, dass nur dieser Text als Grundlage für neue Übersetzungen in den Kirchen und zu Bibelstudien verwendet werden soll (Ebertshäuser, Der überlieferte Text, S. 19). Es ist offensichtlich, dass dies der bevorzugte römisch-katholische Text ist und als solcher ein Zeichen für den Sieg über die Reformation und ihre Bibel.

Aland und Aland heben den ökumenischen Charakter ihres Textes hervor:

Es geht nicht um einen bestimmten Text, sondern es soll eine gemeinsame Grundlage für die Auslegung des Neuen Testaments durch sämtliche Theologen aller Konfessionen und Denominationen weltweit gelegt werden. (The Text, S. 44f.)

Sie gestehen offen ein, dass ihr Text jederzeit geändert werden kann. Das ähnelt der Verfahrensweise mit den von ihnen bevorzugten alexandrinischen Texten, die solange von nachfolgenden Schreibern abgeändert wurden, bis sie nur noch für den Papierkorb tauglich waren (wo sie zum Teil auch gefunden wurden).

Kurt und Barbara Aland gaben zu: Wer an Verbalinspiration und die Unfehlbarkeit der Schrift glaubt, müsse den Textus receptus wählen (The Text, S. 16). Aus der Feder der Inspiration wissen wir, dass die Bibel unser unfehlbarer Führer ist. Auch sollten wir uns nicht von Kirchenvätern oder Theologen vorgeben lassen, was Gott in seinem Wort gesagt hat. Wir brauchen keinen Einheitstext, der alle zufriedenstellt, ebenso wenig wie einen New-Age-Messias (gemäß dem Jesuiten Teilhard de Chardin), den alle akzeptieren können. Die folgenden Zitate aus dem Geist der Weissagung sind hier sehr aufschlussreich:

FE 308 Der große Irrtum der römischen Kirche liegt in ihrer Auslegung der Schrift im Licht der „Kirchenväter“. Deren Meinungen werden als unfehlbar betrachtet, und die Würdenträger der Kirche nehmen sich das Recht heraus, anderen ihren Glauben aufzuzwingen und das Gewissen mit Gewalt zu unterwerfen. Wer ihnen nicht zustimmt, wird als Ketzer bezeichnet. Doch das Wort Gottes darf so nicht ausgelegt werden. Es soll auf dem Fundament seiner eigenen ewigen Qualitäten stehen und als Wort Gottes gelesen werden. Ihm muss gehorcht werden als der Stimme Gottes, der seinem Volk seinen Willen verkündet. Der Wille und die Stimme begrenzter Menschen dürfen nicht als Stimme Gottes gedeutet werden.

GK 239 Auch als die päpstlichen Verfolgungen begannen, wuchs trotz Scheiterhaufen und Folter die Zahl der Gläubigen, und diese erklärten standhaft, dass die Bibel die einzige untrügliche Autorität in Religionssachen sei, und dass „niemand gezwungen werden solle zu glauben, sondern durch die Predigt gewonnen werden müsse.“

5T 264 Wie der Seemann über die Sandbank oder den steinigen Fluss hinauf einen Lotsen braucht, brauchen wir einen Führer durch die vielen Meerengen des Lebens. Wo ist dieser Führer zu finden? Wir weisen euch, liebe Brüder, auf die Bibel hin. Eingegeben von Gott, geschrieben von heiligen Menschen, zeigt sie mit großer Klarheit und Genauigkeit Alten und Jungen ihre Pflichten. Sie erhebt die Gedanken, besänftigt das Herz und schenkt Freude und heilige Fröhlichkeit. Die Bibel ist ein vollkommener Maßstab für den Charakter. Sie ist in allen Lagen ein unfehlbarer Führer, bis ans Ende der Lebensreise. Mach sie zu deinem Ratgeber, zur Richtschnur des täglichen Lebens.

Im Trauergottesdienst Ellen G. Whites wurde gesagt:

LS 471 Kein christlicher Lehrer der Gegenwart noch ein religiöser Reformator früherer Zeiten hat der Bibel höheren Wert beigemessen. In allen ihren Schriften wird es als Buch aller Bücher dargestellt, als oberste und allumfassende Richtschnur für die ganze Menschheit. Nirgends in ihren Schriften findet sich eine Spur von Bibelkritik, „neuen Gedanken“ oder skeptischer, zerstörerischer Philosophie. Wer noch daran glaubt, dass die Bibel das inspirierte und unfehlbare Wort des lebendigen Gottes ist, wird die klare, bibeltreue Unterstützung in den Schriften von Ellen White für diese Position schätzen.

Es ist undenkbar, dass Gott der Reformation nur die schlechtesten Manuskripte zugänglich gemacht hat (wie moderne Kritiker vom Textus receptus behaupten), um damit ihren Standpunkt zu untermauern. Es ist unvorstellbar, dass er sein Volk fast 2000 Jahre lang im Finstern tappen ließ, bevor er ihm Manuskripte gab, die im Grunde bewiesen, dass Rom letztendlich doch recht hatte und der Hüter der Wahrheit gewesen ist.

Der Geist der Weissagung schreibt eindeutig, dass nicht Rom, sondern die Gemeinde in der Wüste Gottes unverfälschte Wahrheit besaß und ihre wertvollen Manuskripte zur Grundlage der reformatorischen Bibel wurden. Es war Gott, der die Reformatoren zu dem von ihnen benutzten Text führte. Rom kämpfte gegen diese Bibel und verfolgte alle, die an ihren Grundsätzen festhielten. Viele Jahre lang ächtete und verbrannte Rom protestantische Bibeln zusammen mit ihren Besitzern oder Verbreitern. Letztendlich musste die päpstliche Kirche jedoch feststellen, dass ihr Widerstand gegen die Bibel nur die traurige Tatsache unterstrich, dass sie nicht die von Gott eingesetzte Kirche der Bibel war, sondern eine tödliche Feindschaft gegen die Schrift hegte. Ein neuer Ansatz war notwendig, um den Protestantismus aufzuhalten – die Kirche musste den Anschein erwecken, nicht die Bibel selbst, sondern nur die verfälschte protestantische Bibel zu bekämpfen.

Um die Protestanten von ihrer Bibel abzubringen, brachten katholische Kirchenführer die Behauptung auf, die lateinische Vulgata von Hieronymus sei korrekter als sämtliche andere Abschriften des hebräischen und griechischen Urtextes. Im Konzil von Trient (1545 – 1563) wurde die lateinische Vulgata als Standardbibel der römischen Kirche festgelegt. Die gegenreformatorische Douay-Übersetzung der Jesuiten griff neben der Vulgata auch auf den Codex Vaticanus zurück. Seit 1844 wurden einige alte Manuskripte aus der alexandrinischen Textfamilie entdeckt (einschließlich des Codex Sinaiticus), die mit den vatikanischen Dokumenten übereinstimmen. Dies war der Beginn der neuen Übersetzungen. Der Kampf aus dem 16. Jahrhundert scheint wieder aufzuleben.

Westcott und Hort waren zwei „protestantische“ Gelehrte, denen die Aufgabe anvertraut wurde, ein griechisches Neues Testament zu erstellen, das als Grundlage für eine neue Bibelübersetzung verwendet werden könnte, die die alte KJV ersetzen sollte. Sie waren in mancherlei Hinsicht zwielichtige Persönlichkeiten. In ihren eigenen Schriften geben sie zu, sich mit Okkultismus, Darwinismus, Geheimgesellschaften und Mariologie beschäftigt zu haben. Die neutestamentliche und reformatorische Versöhnungslehre lehnten sie strikt ab. Da ihre Schriften außerdem römisch-katholisches Gedankengut widerspiegeln, vermuten viele Wissenschaftler, darunter Dean Burgon, Charles Spurgeon, moderne Autoren wie Rudolf Ebertshäuser, der in Übersetzungskomitees von Bibeln mitarbeitet, und adventistische Autoren wie George Burnside, dass sie tatsächlich verdeckte Jesuiten waren.

Die KJV kann in vielerlei Hinsicht verbessert werden, so z. B. ihre veraltete Sprache sowie sachlich falsche Übersetzungen bestimmter Begriffe; doch diese Faktoren betreffen die Semantik, nicht die Lehre. Das Gleiche gilt für die alte Lutherbibel sowie die alten Übersetzungen in anderen Sprachen. Der Zweck einer neuen Übersetzung war ursprünglich nicht, die KJV oder andere Übersetzungen inhaltlich neu auszurichten, sondern den Text dem normalen Sprachgebrauch anzupassen und fehlerhafte Übersetzungen zu korrigieren, die dem mangelhaften Verständnis bestimmter griechischer Wörter zur Zeit der Reformation geschuldet waren. Ebenso war nicht beabsichtigt, die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen in eine dynamisch-äquivalente oder kommunikative Übersetzung zu verändern, die dem Leser bereits vorgibt, wie Gottes Worte zu deuten sind. Bei modernen Übersetzungen sollten wir uns immer die Frage stellen, ob wir es mit einer wörtlichen Übersetzung zu tun haben, die den Originalwortlaut möglichst genau wiedergibt, oder mit einer dynamisch-äquivalenten Übersetzung, die den ursprünglichen Worten einen neuen Rahmen gibt, der oft das Weltbild des Übersetzers reflektiert. Letztere Übersetzung mag durchaus dynamisch sein, sie ist jedoch alles andere als äquivalent.

Alle Manuskripte, die seit dem Druck der KJV entdeckt worden sind, haben zwar unser Wissen über die damalige Sprache, Kultur und Hintergründe erweitert, doch die grundlegende Vorgehensweise – die Methoden und Grundsätze der Textkritik – ist anhand der neuen Informationen nicht hinterfragt, sondern einfach zementiert worden. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Prinzipien der intrinsischen und transkriptionellen Wahrscheinlichkeit sowie die eklektische, genealogische Herangehensweise der Textkritik, die Westcott und Hort so bekannt gemacht haben, auch nach 100 Jahren von Textkritikern noch angewandt werden, um das „beste Griechisch“ zu bestimmen. Im Vorwort der NIV steht: „Der griechische Text für diese Übersetzung ist ein eklektischer Text.“ In der Einleitung der UBS [eines griechischen Grundtextes] zeigt der kritische Apparat durch die Buchstaben A, B, C und D einen eklektischen Text an.

Eugene A. Nida, Sprachexperte der UBS, entwickelte die sog. „dynamisch-äquivalente” Übersetzungsmethode, die in modernen Bibeln vorherrschend ist. Demzufolge muss die Bibel in „kulturell relevante“ Worte übertragen werden und „aktuelles Gedankengut“ die Übersetzung prägen. Das macht die Sache richtig kompliziert, da nun Humanismus, Feminismus und alle möglichen anderen Strömungen, die gerade in Mode sind, Einfluss nehmen. Die Methode von Nida stellt den Menschen, nicht Gott als Urheber des inspirierten Wortes in den Mittelpunkt dieser Debatte. Das Wort soll auf das Niveau des heutigen Menschen heruntergezogen werden, statt den Menschen zum Wort hinaufzuheben. Man glaubt, eine wörtliche Übersetzung sei dem modernen Leser nicht mehr verständlich (was akademische Arroganz höchsten Ranges ist), daher habe nun der Übersetzer die Schlüsselrolle inne und bestimme, was Gott wirklich gesagt hat. Damit wird auch verständlich, warum Rom diese Methode liebt, denn letztendlich sieht sie sich selbst als unfehlbare Auslegerin von Gottes Wort. Und wenn sie den Menschen einreden kann, Roms Deutung seien die tatsächlichen Worte Gottes, passt es umso besser.

Die Eklektik ist eine weitere Methode, mit der das biblische Zeugnis an persönliche Zwecke angepasst werden kann. Elton Jay Epp sagt: „Die eklektische Methode ist die Methode des 20. Jahrhunderts für die neutestamentliche Textkritik.“ Wilbur N. Pickering schreibt in seinem Buch The Identity of the New Testament Text:

Ein rein auf internen Merkmalen beruhender Eklektizismus ist aus mehreren Gründen inakzeptabel. Er ignoriert die über 5.000 heute vorliegenden griechischen Manuskripte … Die Geschichte der Textüberlieferung fehlt. Die Entscheidung für eine bestimmte Variante ist letztendlich Spekulation. (Kap. 2, „Eclecticism“)

Elliott wie Colwell stimmen dem zu. Pickerings Buch wurde im Ministry Magazine vom Juli 1978 empfohlen und ist D. A. Carson zufolge die „beeindruckendste Verteidigung der Überlegenheit des byzantinischen Textes, die bisher publiziert worden ist“. Wer dieses Buch unvoreingenommen studiert, muss zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die „Erstellung eines eklektischen Textes auf Vermutungen basiert“ (E. C. Colwell) und dies „ein extrem unsicherer Prozess ist“ (F. G. Kenyon). Ebendiese Eklektik ist das Ergebnis der Texttheorie von Westcott und Hort (Pickering, Identity, S. 26).

Kenneth W. Clark sagt:

Die zwei bekanntesten Ausgaben des griechischen Textes, Nestle-Aland und UBS, unterscheiden sich nur geringfügig von Westcotts und Horts Text … Alle basieren auf derselben ägyptischen Rezension und spiegeln allgemein dieselben Annahmen bezüglich der Überlieferung wider … Der Westcott-Hort-Text ist zum modernen Textus receptus geworden. („Today’s Problems with the Critical Text of the New Testament“, in Rylaarsdam [Hg.], Transitions in Biblical Scholarship, S. 159)

Andere Wissenschaftler äußern sich wie folgt:

Die Übereinstimmung unserer modernen Ausgaben … liegt schlicht daran, dass ihre Herausgeber nur einem Bruchteil des verfügbaren Materials folgen, nämlich den nichtwestlichen alten Unzialschriften. (Günther Zuntz, „The Byzantine Text in New Testament Criticism“, The Journal of Theological Studies, XLIII [1942])

Die Gruppierung von Manuskripten führte zur Abspaltung von relativ wenigen frühen Manuskripten von der Masse der späteren, und dieser Prozess erreichte seinen Höhepunkt und seine klassische Formulierung im Werk von Westcott und Hort (1881/82) … Hort löste das Problem nicht anhand der Textgeschichte, sondern aufgrund der angeblichen inneren Textmerkmale und ihrer überwiegend subjektiven Bewertung. (E. J. Epp, „The Twentieth Century Interlude in New Testament Textual Criticism“, Journal of Biblical Literature, XCIII [1974], S. 403)

E. C. Colwell bemerkt:

Horts gesamte Argumentation war darauf angelegt, sich des Textus receptus zu entledigen. (Studies in Methodology in Textual Criticism of the New Testament, S. 158)

Westcotts und Horts Hass gegen den Textus receptus ist gut belegt. Hort nannte ihn „widerlich” und „elend”. In einem Brief an John Ellerton schrieb er am 20. Dezember 1851:

„Ich hatte bis vor wenigen Wochen keine Ahnung, wie wichtig Texte sind, da ich kaum im griechischen Testament gelesen habe, und plagte mich mit diesem widerlichen Textus receptus ab … Stell dir diesen elenden Textus receptus vor, der komplett auf späten Manuskripten beruht – es ist ein Segen, dass es so frühe gibt.“ (A. F. Hort, Life and Letters of Fenton John Anthony Hort, Bd. 1, S. 211)

Es scheint, dass Hort seine Theorie nicht anhand einer unvoreingenommenen Beschäftigung mit den Fakten aufstellte, sondern bewusst einen Ansatz entwickelte, der seine bestehende Abneigung gegen den traditionellen Text (Textus receptus) rechtfertigte. Dennoch wurde ihm das große Werk der Erstellung eines modernen griechischen Bibeltexts anvertraut.

Hort erkannte, dass die genealogische (Stammbaum-)Methode es ihm ermöglichen würde, die große Masse an Manuskripten auf nur vier Stimmen zu reduzieren: „Neutral“, „Alexandrinisch“, „Westlich“ und „Syrisch“. Was für ein cleverer Schachzug – tausende von Zeugen in eine Kategorie zusammenzufassen und dann zu behaupten, ihr Zeugnis sei den anderen drei Kategorien 1:3 unterlegen! Diese Art Argumentation ermöglichte ihm, das zahlenmäßig weitaus überlegene Zeugnis des Textus receptus zum Schweigen zu bringen.

Es gibt zahlreiche Ausführungen ausgezeichneter Textwissenschaftler, die zeigen, wie die eklektische, genealogische Methode der Textkritik vorsätzlich von Westcott und Hort entwickelt wurde, um die alexandrinischen Unzialschriften wie Vaticanus, Sinaiticus und Alexandrinus einzuführen und damit das Zeugnis des neutestamentlichen Mehrheitstextes aufzuheben. Damit wurde das Werk der Reformatoren untergraben und die verfälschten Manuskripte Roms zum heutigen „Textus receptus“erhoben.

Die von Westcott und Hort entwickelten Grundsätze der Textkritik liegen allen modernen Bibelübersetzungen zugrunde – daran besteht kein Zweifel. Das heißt nicht, dass all die tausende Menschen, die sich seit Westcott und Hort mit den Manuskripten des NT beschäftigt haben, ähnlich böse Absichten zur Verdrehung von Gottes Wort hatten. Es ist aber nicht zu übersehen, dass sie von Westcotts und Horts Methodik beeinflusst sind und deshalb prinzipiell zu ähnlichen Ergebnissen kommen.

Grundlage für die heutigen neuen Übersetzungen ist im Neuen Testament die griechische Textausgabe von Nestle-Aland. Er ist ein Konsenstext, der an das internationale religiöse Klima unserer Zeit angepasst ist. Die New International Version (NIV), die wohl beliebteste Bibelübersetzung heutzutage, trägt ihren Namen nicht umsonst: Sie geht auf die Bedürfnisse aller internationalen religiösen Gemeinschaften ein. Das Wort Ökumene bedeutet „der ganze bewohnte Erdkreis“, und dazu gehören auch die Religionen der Welt. Folgende Definition stammt von der Webseite des Weltkirchenrats:

Das Wort „ökumenisch“ wird von dem griechischen Begriff oikoumene abgeleitet, was sich als „ganzer bewohnter Erdkreis“ übersetzen lässt. Erst wenn wir diese Welt als Gottes Welt betrachten, sehen wir uns miteinander vereint. Wenn wir erkennen, dass alle Menschen auf der Welt in Gottes Bild geschaffen sind, dann sehen wir uns auch dazu berufen, das Wohlergehen eines jeden zu schützen.“ (oikoumene.org)

Das Wort „katholisch” bedeutet „allumfassend”; in dieser Hinsicht haben beide Wörter die gleiche Bedeutung. Um religiösen Frieden zu bewirken, müssen alle Religionen als ebenbürtig betrachtet werden. Dafür aber muss Jesus Christus auf die Stufe aller anderen Propheten und Religionsgründer herabgesetzt werden. Robert Muller, ehemaliger stellvertretender UN-Generalsekretär, drückt es so aus:

Die großen Religionen der Welt müssen ihre ökumenischen Bemühungen erheblich beschleunigen und erkennen, dass sie trotz ihrer kultischen Verschiedenheit die gleichen Ziele verfolgen. Die Religionen müssen aktiv zusammenarbeiten, um unser Verständnis von den Geheimnissen des Lebens und unserer Rolle im Universum zu neuen Höhen zu führen. „Meine Religion, richtig oder falsch“ und „Meine Nation, richtig oder falsch“ – diese Einstellung muss im Planetenzeitalter für immer abgeschafft werden. (Robert Muller, New Genesis: Shaping a Global Spirituality, 1984, S. 183)

Diese Feststellung muss Jesus als einzigen Erlöser natürlich leugnen, wie Chung Hyun Kyung, Professorin für Theologie und Sprecherin des Weltkirchenrats, bestätigt. Kyung sprach während des Weltkirchenrats in Harare, Simbabwe, im November 1998, wo sie einen sinnlichen Tanz aufführte. Dr. Kyung erklärt, Jesus vor anderen Menschen zu bezeugen, sei in Wirklichkeit „eine Gewalttat“. Als sie daran erinnert wurde, dass Jesus nach Johannes 14,6 der einzige Weg ist, erwiderte Kyung, Jesus habe „sich geirrt“. („World Council of Churches Ecumenical Women’s Decade Festival“, The ACCC Report, Januar 1999, S. 1)

Bevor wir einige der subtilen Veränderungen in modernen Bibelübersetzungen untersuchen, ist es hilfreich zu erkennen, welche okkulten Einflüsse dabei mitgewirkt haben und auf welche Weise die Schrift ausgelegt wird, um Okkultismus und Bibel in Einklang zu bringen. Dies soll kein ausführlicher Bericht über die für New Age und Ökumene so wichtige Verschmelzung dieser Paradigmen sein, doch einige Anmerkungen sind meines Erachtens angebracht. Westcott und Hort waren beide in Okkultismus involviert und Mitglieder in Geheimgesellschaften, wie folgende Zitate belegen:

Zur Freizeitbeschäftigung meines Vaters gehörte in Cambridge auch die Gründung einer „Geistergesellschaft“, dem Vorläufer der Psychical Society (oder S. P. R.) zur Erforschung übernatürlicher Erscheinungen. Lightfoot, Westcott und Hort waren Mitglieder. Er war schon immer interessierter an übersinnlichen Phänomenen, als er zugab … Lightfoot und Westcott wurden Bischöfe, Hort Professor für Theologie. Die S. P. R. konnte den kirchlichen Rang ihrer Muttergesellschaft kaum erreichen. (W. H. Salter, The Society For Psychical Research, 1948, S. 5f.)

Trotzdem fand er die Zeit, an Veranstaltungen verschiedener Gesellschaften teilzunehmen. Im Juni schloss er sich der mysteriösen Gemeinschaft der „Apostel“ an. Er blieb ein dankbares und treues Glied dieses Geheimclubs, der inzwischen [ca. 1896] berühmt geworden ist, weil ihm so viele erlesene Männer angehörten. Damals wurde der Club gewissermaßen neu belebt, und Hort war hauptverantwortlich für die Formulierung des Eides, der die Mitglieder zu einer Verschwörung des Schweigens verpflichtete. (Life and Letters of Fenton John Anthony Hort, Bd. 1, S. 170f.)

Ohne Zweifel unterscheidet sich Westcotts und Horts griechischer Text vom Textus receptus. Die Unterschiede müssen gar nicht dramatisch sein, um die Bedeutung zu verändern oder einer alternativen Auslegung die Tür zu öffnen. Hort selbst gibt in einem Brief vom 7. Juli 1870 zu:

Es ist ganz unmöglich, den Wert scheinbar unbedeutender Veränderungen zu beurteilen, wenn man jede Stelle für sich liest. Erst in ihrer Gesamtheit haben sie oft bedeutsame Auswirkungen, die viele zunächst nicht erwarten würden … Zwischen einem Gemälde von Raffael und einer dürftigen Kopie desselben gibt es nur triviale Unterschiede … Wir haben den Warnungen, uns nicht auf gefährlichen Grund zu begeben, erfolgreich widerstanden, wo die Notwendigkeit einer Revision Konsequenz erforderte … Ohne Zweifel ist dies der Anfang eines neuen Abschnitts der Kirchengeschichte. Bisher haben die verärgerten Gegner Grund zum Staunen. (Life, S. 138-139)

Noch wichtiger ist, wie die okkulte Welt diese subtilen Veränderungen interpretiert. Helena Blavatsky, eine Zeitgenossin von Ellen White, ist in esoterischen Kreisen hoch angesehen. Theosophen schätzen ihre Literatur ähnlich wie Adventisten die Schriften von Ellen G. White. Ellen White legte die Schrift so aus, wie sie geschrieben steht. Sie sagte:

Brüder, haltet fest an der Bibel, wie sie niedergeschrieben ist, und gebt eure Kritik an ihrer Zuverlässigkeit auf. Gehorcht dem Wort, und keiner von euch wird verlorengehen. Seit alters hat sich die Intelligenz der Menschen daran geübt, das Wort Gottes an ihrem begrenzten Geist und Fassungsvermögen zu messen. Wenn der Herr, der Urheber der lebendigen Worte, vor ihnen seine Weisheit und Herrlichkeit enthüllte, würden sie vergehen und wie Jesaja ausrufen: „Ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen.“ (Jes 6,5) (Für die Gemeinde geschrieben, Bd. 1, S. 17f.)

Sie glaubte auch, dass Gottes Wort unfehlbar ist:

Wenn das Wort Gottes gelesen, begriffen und befolgt wird, wird helles Licht in die Welt leuchten. Wenn wir neue Erkenntnisse aufnehmen und akzeptieren, werden sie uns immer fester an Jesus binden. Die Bibel, und nur die Bibel allein, soll die Grundlage unseres Glaubens sein. Nur durch sie erreichen wir Einigkeit. Unsere Bemühungen dürfen nicht von unseren Einstellungen und Ideen gesteuert werden. Der Mensch ist fehlbar, aber das Wort Gottes ist unfehlbar. Lasst uns den Herrn erheben, anstatt dauernd miteinander zu streiten. Lasst uns Anfeindungen begegnen wie unser Meister, indem wir sagen: „Es steht geschrieben.“ Lasst uns das Banner erheben, auf welchem geschrieben steht: Die Bibel ist die Grundlage unseres Glaubens und Lebens. (S. 438)

Entgegen diesem direkten Ansatz des Bibelverständnisses glaubt die esoterische Welt an eine eso- und exoterische Auslegung der Schrift, wobei exoterisch die direkte Deutung für das allgemeine, nicht erleuchtete Volk ist und esoterisch sich auf ein verborgenes, nur Eingeweihten verständliches Wissen bezieht. Theosophen glauben, Luzifer sei der Gott des Lichtes und der biblische Gott höchstens eine Stammesgottheit, die mit Bösem assoziiert wird. Von den zwei Hauptströmungen der Bibelmanuskripte bevorzugt die Esoterik den alexandrinischen Text, da die kleinen Änderungen im Text einen eklektischen Ansatz möglich machen und zudem die Exklusivität von Christus als einzigem Erlöser minimieren. In den gesammelten Schriften von H. P. Blavatsky finden wir folgendes aufschlussreiches Interview über Bedeutung und Ziele der Theosophischen Gesellschaft:

Theosopie und die theosophische Gesellschaft: Bedeutung des Namens

FRAGESTELLER: Theosophie und ihre Lehren werden oft als eine neumodische Religion bezeichnet. Handelt es sich um eine Religion?

THEOSOPH: Nein. Theosophie ist eine göttliche Erkenntnis oder Wissenschaft.

FRAGESTELLER: Was bedeutet der Name wirklich?

THEOSOPH: „Göttliche Weisheit“ (theosophia) oder Weisheit der Götter, als Stammbaum der Götter (theogonia). Das griechische Wort Theos bezieht sich auf einen Gott, ein göttliches Wesen, keineswegs auf „Gott“ im heute üblichen Sinn. Es handelt sich daher auch nicht um „Gottes Weisheit“, wie manche übersetzen, sondern um göttliche Weisheit, wie die Götter sie besitzen. Der Begriff ist Jahrtausende alt.

FRAGESTELLER: Woher kommt der Name?

THEOSOPH: Er stammt von den alexandrinischen Philosophen, die sogenannten Liebhaber der Wahrheit, oder Philalethen, abgeleitet von phil („liebend“) und aletheia („Wahrheit“). Der Name Theosophie lässt sich bis in das 3. Jh. unserer Zeitrechnung zurückverfolgen und wurde zuerst von Ammonios Sakkas und seinen Jüngern benutzt, die das eklektische theosophische System gründeten.

FRAGESTELLER: Was war der Zweck dieses Systems?

THEOSOPH: Zunächst sollten sich seine Anhänger sowie alle „Liebhaber der Wahrheit“ gewisse große, moralische Wahrheiten einprägen. Daher stammt das Leitwort der Theosophischen Gesellschaft: „Keine Religion ist höher als die Wahrheit.“ Das Hauptziel der Gründer der eklektischen theosophischen Schule gehört heute zu den drei Zielen ihres modernen Nachfolgers, der Theosophischen Gesellschaft, nämlich alle Religionen, Kulte und Nationen in einem gemeinsamen ethischen System zu vereinen, das auf ewigen Wahrheiten gründet.

FRAGESTELLER: Wie beweist du, dass dies kein unmöglicher Traum ist und alle Weltreligionen tatsächlich auf ein und derselben Wahrheit beruhen?

THEOSOPH: Durch vergleichendes Studium und Analyse. Die „Weisheitsreligion“ war im Altertum vereint, und die Einheit der ursprünglichen religiösen Philosophie zeigt sich darin, dass alle Eingeweihten während der Mysterien, die früher allgemein verbreitet waren, dasselbe gelehrt wurden. „Alle alten Religionen verweisen auf die Existenz einer einzigen Theosophie, die vor ihnen bestand. Der Schlüssel zu einer Religion muss alle Religionen öffnen, sonst kann es nicht der richtige Schlüssel sein.“ (Eclect, Philo) (H. P. Blavatsky, The Key to Theosophy, Abschn. 1)

Eine Vereinigung aller „Religionen, Kulte und Nationen in einem gemeinsamen ethischen System“ erfordert die Herabsetzung der Ausschließlichkeit Christi und eine nichtwörtliche Auslegung von Gottes Wort. Die Kollision zwischen adventistischer und theosophischer Weltanschauung ist offensichtlich: Sie schließen sich gegenseitig aus. Adventisten nehmen die Bibel wörtlich, die Theosophen deuten sie esoterisch.

Betrachten wir nun eine der zentralen adventistischen Lehren, die Wiederkunft Jesu, um zu sehen, wie der griechische Text von Westcott und Hort diese esoterische Auslegung stützt. In der Zeitschrift Lucifer schrieb Blavatsky über das Thema Das esoterische Wesen der Evangelien und erklärte die esoterische Auslegung im Matthäus-Evangelium über die Wiederkunft Jesu. Dabei machte sie einige interessante Kommentare zu Adventisten:

„… Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen deiner Gegenwart und der Vollendung des Zeitalters sein“*, fragten die Jünger den MEISTER auf dem Ölberg.

Der „Mann des Leidens“, der Chrestos, in seiner Prüfung, aber auch auf seinem Weg des Sieges, als Christos bzw. Christus, ist prophetisch und sehr vielsagend. Tatsächlich ist es eine Warnung. Die Antwort muss vollständig zitiert werden. Jesus … sagte ihnen: „Seht zu, dass euch niemand verführe! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus! Und sie werden viele verführen. Ihr werdet aber von Kriegen … hören … aber es ist noch nicht das Ende. Denn es wird sich Nation gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich; und es werden Hungersnöte und Erdbeben da und dort sein. Alles dies aber ist der Anfang der Wehen … Und viele falsche Propheten werden aufstehen und werden viele verführen … dann wird das Ende kommen. Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, … seht … Wenn dann jemand zu euch sagt: Siehe, hier ist der Christus, oder dort! so glaubt es nicht! … Wenn sie nun zu euch sagen: ‚Siehe, er ist in der Wüste!‘, so geht nicht hinaus! ‚Siehe, er ist in den Kammern!‘, so glaubt es nicht! Denn wie der Blitz ausfährt von Osten und bis nach Westen leuchtet, so wird die Gegenwart des Sohnes der Menschen sein.“

Die Fußnoten zu diesen Bibelversen sind aufschlussreich. Blavatsky zitierte hier nach der revidierten King James Version von 1881. In den Fußnoten steht:

Matthäus 24,3ff. Die kursiven Sätze zeigen an, wo das Neue Testament von 1611, das voller gewollter und ungewollter Fehler ist, in der Fassung von 1881 revidiert wurde. Das Wort „Gegenwart“ statt „Wiederkunft“ sowie „Vollendung des Zeitalters“ statt „Ende der Weltzeit“ ändert die gesamte Bedeutung selbst für den aufrichtigsten Christen, die Adventisten ausgenommen.“ (Hervorhebung des Autors)

Wer nicht über den großen Bedeutungsunterschied der zwei griechischen Wörter chrestos und christos nachsinnt und ihn begreift, dem bleibt die esoterische Bedeutung der Evangelien für immer verborgen. Das heißt, der lebendige Geist bleibt für immer begraben im fruchtlosen Text toter Buchstaben, im Toten Meer eines nur mit dem Mund bekennenden Christentums.

Warum sind die Adventisten in diesem Punkt ausgenommen? Liegt es an ihrer buchstäblichen Interpretation des Textes, oder übersetzt die alten King James die Verse in Übereinstimmung mit der adventistischen Lehre – oder beides?

Blavatsky erklärt weiter, warum die Veränderungen im Text so wichtig sind:

Da der falsche Text nun revidiert worden ist, werden jedem Menschen zwei Dinge an dieser Stelle deutlich. Erstens: Die „Wiederkunft Christi“ bedeutet die Gegenwart des CHRISTOS in einer wiederhergestellten Welt, doch in keinster Weise das tatsächliche, physische Kommen von „Christus“ Jesus. Zweitens: Dieser Christus soll weder in der Wüste noch in den Kammern gesucht werden noch in den heiligen Räumen von Menschen erbauter Tempel oder Kirchen, denn Christus – der wahre esoterische RETTER – ist kein Mensch, sondern der GÖTTLICHE GRUNDSATZ in jedem Menschen. Wer danach strebt, den Geist zu erwecken, der in seinen eigenen irdischen Leidenschaften von ihm gekreuzigt und tief im Grab seines sündigen Fleisches begraben wurde; wer die Kraft hat, den Stein der Materie vom Eingang seines eigenen inneren Heiligtums zu rollen, in diesem Menschen wird Christus auferstehen. Der „Sohn der Menschen“ ist kein Kind der Magd – des Fleisches –, sondern der Freien – des Geistes –, das Kind der eigenen Taten des Menschen, die Frucht seines eigenen geistlichen Werkes.

Andererseits sind die in Matthäus beschriebenen Vorzeichen noch in keiner Epoche des christlichen Zeitalters so bildlich und mächtig aufgetreten wie in unserer Zeit. Haben sich die Nationen je mehr gegeneinander erhoben als in der heutigen Zeit? Wann waren die Hungersnöte – eine andere Bezeichnung für trostlose Verarmung und die hungernden Menschenmassen des Proletariats – grausamer, die Erdbeben häufiger und gleichzeitig so weit verbreitet wie in den wenigen vergangenen Jahren? Millennaristen und Adventisten mit robustem Glauben mögen weiterhin der Meinung sein, die „Wiederkunft des (vermenschlichten) Christus“ stehe bevor, und sich auf das „Ende der Welt“ vorbereiten. Theosophen – jedenfalls einige von ihnen, die die verborgene Bedeutung des weltweit erwarteten Avatars, Messias, Saoschjant und Christus verstehen – wissen, dass es kein „Ende der Welt“, sondern die „Vollendung des Zeitalters“ ist, d. h. der nahe bevorstehende Abschluss eines Zyklus. (Lucifer, Bd. 1, Nr. 3, Nov. 1887, S. 173-180) (Hervorhebung hinzugefügt)

Geringfügige Wortveränderungen mögen einem Uninformierten trivial erscheinen, können jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Aussage und die biblische Lehre haben. Ein Vergleich einiger der eher bedeutsamen Unterschiede zwischen alten und modernen Bibelübersetzungen und ihren jeweiligen Manuskripten kann somit eine völlig neue Bedeutung gewinnen.

Beispiele relevanter Veränderungen und deren Ursprung

Moderne Übersetzungen haben das biblische Zeugnis über Jesus Christus zweifellos verändert und seine Göttlichkeit und Oberherrschaft geschmälert. Hier ist es hilfreich, einen näheren Blick auf den Nestle-Aland-Text (NA) zu werfen. An dieser Stelle sollen nicht sämtliche Auslassungen und Änderungen der auf dem NA basierenden heutigen Bibeln aufgelistet werden, sondern nur einige herausstechende. Sie wurden größtenteils der Broschüre Der Überlieferte Text des Neuen Testaments und die heutigen Bibelübersetzungen von Rudolf Ebertshäuser entnommen und leicht angepasst. (Wo nicht anders angegeben, ist als NA-Bibel die revidierte Elberfelder [ELB] zitiert und der Wortlaut des Textus receptus [TR] daran angelehnt, um die Unterschiede deutlicher zu machen.)

a) Gleichheit des Sohnes mit dem Vater

1. Timotheus 3,16

TRNA
Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbart worden im Fleisch …Und anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Der geoffenbart worden ist im Fleisch …

NA stützt sich auf 5 Majuskeln (darunter Sinaiticus) sowie einige Minuskeln; die große Mehrheit der anderslautenden Manuskripte wird ausgeklammert. Das kommt der Gnostik entgegen, die besagt, Jesus sei bloß ein Geschöpf.


Johannes 3,13

TRNA
Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.Und niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen.

NA lässt „der im Himmel ist“ aus aufgrund von P66, P75, Sinaiticus, Vaticanus sowie 8 weiteren Manuskripten, obwohl es in der großen Mehrzahl der übrigen Manuskripte vorkommt.


Matthäus 1,18

TRNA
Mit der Geburt [gennēsis] Jesu Christi verhielt es sich aber so …Mit dem Ursprung [genesis] Jesu Christi verhielt es sich aber so …

Hier haben gnostische Schreiber nur zwei Buchstaben im Griechischen verändert, um Christus zu einem geschaffenen Wesen zu machen, dessen „Ursprung“ bei seiner Geburt war (d. h., er hat vorher nicht existiert). Diese Verdrehung findet sich nur in den Manuskripten P1, Sinaiticus, Vaticanus, in 6 Majuskel- und einigen Minuskelschriften. Die meisten modernen Übersetzungen wagen es nicht, diese Verdrehung zu übernehmen und halten sich lieber an den Textus receptus (TR) als an ihre bevorzugten „ältesten Manuskripte“. Die von Jesuiten inspirierte Douay-Bibel ist dagegen nicht so zimperlich.


Johannes 6,69

TRNA
Wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes!NA Wirhaben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.

Diese Veränderung gibt den gnostischen und arianischen Standpunkt wieder, gründet sich jedoch nur auf 7 Manuskripte, darunter P75, Sinaiticus, Vaticanus und D, die im Widerspruch zu tausenden Zeugen zugunsten des Textus receptus stehen.

Ist es nicht interessant, dass nahezu alle neuen Übersetzungen (ELB, LUT etc.) die Aussage „Sohn Gottes“ in Johannes 9,35 abändern in „Menschensohn“? Außerdem fehlt Vers 38 in den Manuskripten P75, Sinaiticus sowie einer Majuskelschrift. Dieser Vers lautet nach der Schlachter 2000 (SCH): „Er aber sprach: Ich glaube, Herr! und fiel anbetend vor ihm nieder.“ Die meisten modernen Bibeln geben diesen Text wieder, wandeln jedoch den Teil, in dem Jesus angebetet wird, ab. Auch in Lukas 24,52 wird die Anbetung Jesu modifiziert, basierend auf einem einzigen Manuskript (Codex D).


Johannes 7,8

TRNA
Ich gehe noch nicht hinauf zu diesem Fest; denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt.Ich gehe nicht hinauf zu diesem Fest; denn meine Zeit ist noch nicht erfüllt.

Etliche NA-Übersetzungen (ELB, GN, HFA, LUT) lassen „noch“ weg und machen Jesus damit entweder zum Lügner oder nehmen ihm sein Vorherwissen.

b) Vollständige Menschwerdung Jesu

Die Gnostik bestreitet die Menschwerdung Jesu, dass Gott im fleischgewordenen Menschensohn vollständig Mensch wurde. Der Katholizismus leugnet zwar nicht, dass Jesus in menschlicher Form auf die Erde kam, aber dass er „im Fleisch“ kam – im selben Fleisch, das wir als Menschen haben. Nach der Lehre der unbefleckten Empfängnis, die Maria sündlos macht, empfing Jesus seine menschliche Natur auf ganz andere Weise als die übrigen Menschen. Der Katholizismus leugnet also nicht seine Menschlichkeit, sondern dass er die gleiche menschliche Gestalt annahm wie jeder andere Mensch. Dadurch entsteht eine Distanz zwischen Jesus und den Menschen, und man braucht nun Mittler wie Heilige und Priester, die Fürsprache einlegen. Er war nicht in allem wie wir und kann uns daher auch nicht dort abholen, wo wir sind, weil er nicht in allem versucht worden ist wie wir. Dieses katholische Gedankengut findet sich in den neuen Übersetzungen wieder, auch hier dienen Sinaiticus und Vaticanus als Kronzeugen.


1. Johannes 4,2.3

TRNA
2 Hieran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus, im Fleisch gekommen, bekennt, ist aus Gott; 3 und jeder Geist, der nicht Jesus, im Fleisch gekommen, bekennt, ist nicht aus Gott; und dies ist der Geistdes Antichrists …2 Hieran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der Jesus Christus, im Fleisch gekommen, bekennt, ist aus Gott; 3 und jeder Geist, der nicht Jesus bekennt, ist nicht aus Gott; und dies ist der Geistdes Antichrists …

Die klare Aussage in Vers 2, dass das Bekenntnis zu Jesus als „im Fleisch gekommen“ ein Beweis dafür ist, dass der Geist Gottes wirkt, wird durch das Fehlen der Phrase in Vers 3 wieder relativiert: Woran zeigt sich jetzt der „Geist des Antichristus“ – nur daran, dass er Jesus leugnet, oder schon daran, dass er die Fleischwerdung Jesu nicht anerkennt?


Apostelgeschichte 2,30

TRNA
Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte, einen seiner Nachkommen, dem Fleisch nach, auf seinen Thron zu setzen …Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte, einen seiner Nachkommen auf seinen Thron zu setzen …

Auch hier fehlt mit „dem Fleisch nach“ die Betonung, dass Christus als Nachkomme Davids ein Mensch wie wir geworden ist. Diese bedauernswerte Veränderung stützt sich auf Codex Sinaiticus, Codex Vaticanus sowie 4 weitere Manuskripte.


1. Korinther 15,47

TRNA
Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch der Herr vom Himmel.Der erste Mensch ist von der Erde, irdisch; der zweite Mensch vom Himmel.

Die Auslassung von „der Herr“ entspricht erneut der gnostischen Denkweise, dass Gott sich niemals dazu herablassen würde, einer von uns zu werden. Daher leugnet die Gnostik auch, dass Jesus als Mensch die gleichen Bedürfnisse hatte wie wir und für uns leiden und sterben sollte.

Vielleicht ist das der Grund, warum die gnostischen Schreiber Texte entfernt haben, die Jesu menschliche Schwachheit und den besonderen Dienst der Engel in der Stunde seiner Versuchung beschreiben. NA bezeichnet Lukas 22,43.44 als „späteren Zusatz“ und belegt dies mit P75, D, Sinaiticus, Vaticanus, 5 Majuskeln und 2 Minuskeln, im Widerspruch zu der überwältigenden Anzahl von Textzeugen für den TR (einschließlich 5 Minuskeln).

c) Christi Macht und Herrlichkeit

Epheser 3,9

TRNA
… und ans Licht zu bringen, was die Gemeinschaft des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her in Gott, der alle Dinge geschaffen hat durch Jesus Christus, verborgen war …… und ans Licht zu bringen, was die Verwaltung des Geheimnisses sei, das von den Zeitaltern her in Gott, der alle Dinge geschaffen hat, verborgen war …

„Durch Jesus Christus“ wird in den meisten modernen Übersetzungen ausgelassen; die Luther 1984 übersetzt „in ihm, der alles geschaffen hat“ statt „in Gott, der alles geschaffen hat“.


Philipper 4,13

TRNA
Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt, Christus.Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt.

Hier wird Christus in den meisten modernen Übersetzungen ausgelassen, gemäß dem Zeugnis von Sinaiticus, Vaticanus und des Gnostikers Clemens, der Bischof von Alexandria war. Clemens wird zusammen mit Tertullian, Eusebius und Origenes im Freimaurerhandbuch Morals and Dogma als Gnostiker aufgeführt. Sie waren außerdem Mitglieder der erleuchteten esoterischen Gesellschaft und glaubten an die Lehre der innewohnenden Göttlichkeit des Menschen sowie an einen pantheistischen Gott, der als essenzielle Kraft das gesamte Universum durchdringt, nicht an einen persönlichen Gott, wie Mose ihn beschreibt (Albert Pike, Morals and Dogma, S. 544, 667).


Galater 3,17; 4,7; 6,15

TRNA
3,17 Einen vorher von Gott auf Christus hin bestätigten Bund macht das 430 Jahre später entstandene Gesetz nicht ungültig …3,17 Einen vorher von Gott bestätigten Bund macht das 430 Jahre später entstandene Gesetz nicht ungültig …
4,7 Also bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe Gottes durch Christus.4,7 Also bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott.
6,15 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern eine neue Schöpfung.6,15 Denn weder Beschneidung noch Unbeschnittensein gilt etwas, sondern eine neue Schöpfung.

Diesen Versen rauben die modernen Übersetzungen das Herzstück des Galaterbriefes, nämlich die Bundesbeziehung, die wir durch Christus mit Gott haben. Hier wird systematisch der Hauptdarsteller des Briefes entfernt und seiner Macht beschnitten, indem man dem Zeugnis von Sinaiticus, Vaticanus und 2 Majuskeln vertraut.

d) Christi körperliche Auferstehung und Himmelfahrt

Markus 16,9-20

Weil diese Verse in Vaticanus, Sinaiticus und einer Minuskelschrift fehlen, wird ihre Echtheit bezweifelt. Somit geht ein wertvolles Zeugnis über die körperliche Auferstehung Jesu, seine Himmelfahrt, seinen Platz zur rechten Hand Gottes sowie den Missionsauftrag verloren. Die Streichung gründet sich auf lediglich 3 Manuskripte, im Gegensatz zu 5400 Zeugnissen, die sich für die Echtheit des Abschnitts verbürgen. Von den Kirchenvätern stützen Clemens von Alexandria, Origenes und Eusebius die Weglassung (alle Gnostiker). Die Echtheit der Verse wird andererseits nicht nur von der großen Mehrzahl der Manuskripte einschließlich 5 Majuskeln, sondern auch von den Kirchenvätern Irenäus (2. Jh.) und Tertullian (3. Jh.) belegt.

e) Das biblische Zeugnis wird geschwächt

Die Behauptung, in den neuen Übersetzungen ginge „keine Lehre verloren“, ist nicht wahr, da viele der fehlenden und abgeänderten Texte wichtige Belege für biblische Lehren darstellen. Die Tatsache, dass andere Verse diese Lehren ebenfalls bezeugen, spielt dabei keine Rolle, denn mit jedem fehlenden Beweistext vergrößert sich die Gefahr, dass Irrlehren eindringen können.

Zudem ist die Bibel das Wort eines Bündnis-Gottes, und ein Bund ist ein legales Dokument. Jedes Dokument muss durch mindestens zwei Zeugen verifiziert werden, sonst ist es nicht bindend. Jeder Grundstückskauf muss von zwei Zeugen unterschrieben werden, bevor er legal ist. Die Bibel wendet den gleichen Grundsatz an:

Mt 18,16 Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht.

Joh 5,31 Wenn ich von mir selbst Zeugnis ablege, so ist mein Zeugnis nicht glaubwürdig.

Neuere Bibelübersetzungen radieren die „zweiten und dritten Zeugen“ systematisch aus und behaupten, es seien später eingefügte Wiederholungen, die im Urtext nicht vorkämen. Wichtigen Aussagen Jesu wird so aus Bundessicht ihre Legalität genommen. Würden die neuen Bibeln alle Unterschiede zum überlieferten Textus receptus kenntlich machen, dann würde man sich erst bewusst werden, wie viel verändert worden ist!

Dass die ältesten Manuskripte am besten, zuverlässigsten und dem Urtext am nächsten seien, ist nicht mehr als eine Vermutung. Wie können wir feststellen, welche Manuskripte das Original am genauesten wiedergeben, wenn wir das Original gar nicht besitzen? Es sind mindestens 50 Apokryphen aus der Zeit des Neuen Testamentes bekannt – ein klarer Beweis dafür, dass „alt“ nicht gleich „zuverlässig“ bedeutet.

Die Geschichte des biblischen Textes und der Gemeinde Gottes in der Wüste ist wesentlicher Schlüssel für die Frage, welche Manuskripte dem Urtext am nächsten kommen. Das „Zeugnis Jesu“ offenbart uns:

Die Gemeinde in der Wüste und nicht die stolze Priesterherrschaft auf dem Thron Roms war die wahre Gemeinde Christi, der Wächter der Schätze der Wahrheit, die Gott seinem Volk anvertraut hatte, um sie der Welt zu übermitteln. (Ellen White, Der große Kampf, S. 64)

Außer der Douay haben alle Bibeln, die vor Westcotts und Horts Text übersetzt wurden, den gleichen Grundtext wie die KJV, nämlich den Mehrheitstext bzw. Textus receptus. Immer mehr Textkritiker gelangen inzwischen zu der Einsicht, dass der byzantinische Mehrheitstext dem Urtext tatsächlich genauer entspricht als die alten Unzialen. Auf diesem byzantinischen Text beruht auch die antike, syrische Peschitta-Bibel. Sie enthält die weltweit älteste christliche Übersetzung des Neuen Testaments. Die Tatsache, dass sie wahrscheinlich weitgehend von den Originalmanuskripten übersetzt worden ist, stellt ihre Autorität fast auf eine Stufe mit dem Urtext. Es ist wahrscheinlich, dass Teile der Peschitta zur Zeit der Apostel und unter deren Anleitung geschrieben wurden (siehe C. Leach / R. A. Torrey, Our Bible, How We Got It). Somit ist die Peschitta ein weiteres Argument für den Mehrheitstext.

Welche Übersetzung benutzte Ellen White?

Adventistische Leiter und Theologen standen in dieser Debatte oft an erster Front. In dem Buch Our Authorized Bible Vindicated von Prof. B. G. Wilkinson, der am Adventist Washington Missionary College Theologie-Dekan war und dieses Buch 1930 verfasste, finden wir im Vorwort eine leidenschaftliche Verteidigung des überlieferten Textes (Textus receptus). Er schreibt:

Im Hinblick auf die verschiedenen Übersetzungen ist es notwendig, einerseits die wunderbare Inspiration der Bibel zu bestätigen, andererseits vor Bibeln zu warnen, die falsche Bücher enthalten oder (vor allem in der heutigen Zeit) falsche und gefährliche Aussagen in echten Büchern. Es gibt von Fachleuten zusammengestellte Bibeln, die bestimmte Bücher und Textabschnitte beinhalten, die wir nicht akzeptieren können. Solche Übersetzungen können als Nachschlagewerk und zu Vergleichszwecken nützlich sein. Manche Verse geben sie vielleicht deutlicher wieder. Doch unter keinen Umständen sollten solche Übersetzungen genutzt werden, ohne nicht auch die Öffentlichkeit über deren Gefahren zu informieren.

George Burnside, Verbandssekretär der Australien-Division, schreibt in seinem Buch The New International Version or the King James Version:

Jeder ernsthafte fundamentale Adventist, der sich die Zeit nimmt, die Unterschiede zwischen der NIV und KJV zu untersuchen, wird über das Werk der Übersetzer erstaunt sein. Mit dieser neuen Bibel sowie den meisten anderen modernen Übersetzungen kann die adventistische Lehre nicht mehr begründet werden.

Der gleiche Gedanke wird in unserer Zeit von P. Gerhard Damsteegt geäußert. Er ist Professor für Kirchengeschichte am theologischen Seminar der adventistischen Andrews-Universität und schreibt:

Die ersten Adventisten lösten ihre Fragen über Prophetieauslegung mithilfe von Bibeln, die den griechischen Text des Neuen Testaments wörtlich wiedergaben. Auch heute können Siebenten-Tags-Adventisten die beste Beweisführung für das Verständnis des Heiligtums in Übersetzungen finden, die den Urtext so genau wie möglich wiedergeben. Solche Übersetzungen folgen dem Grundsatz der „vollständigen Äquivalenz“ – der möglichst vollständigen Wiedergabe aller Inhalte des ursprünglichen Textes.

Anschließend zeigt er auf, wie die neuen Bibeln die Heiligtumslehre untergraben, indem sie die moderne Theologie der Wiederherstellung Jerusalems in den Text einschleusen und Christus nach der Himmelfahrt direkt ins Allerheiligste statt ins Heilige gehen lassen. Nicht nur die Heiligtumsbotschaft wird aufgelöst, sondern ebenso die Lehren von reinen und unreinen Speisen, vom körperlichen Zustand eines Propheten in einer Vision (äußerst wichtig in Bezug auf die Erfahrungen Ellen Whites und anderer Propheten Gottes), die Lehre vom Sabbat, die Art der Wiederkunft Jesu usw. Alle diese Glaubenspunkte werden von den neuen Bibelausgaben stark beeinträchtigt.

Oft verweisen die Befürworter der modernen, dynamisch-äquivalenten Wiedergabe darauf, dass diese Übersetzungen im Schrifttum Ellen Whites frei zitiert werden und daher unproblematisch sind. Auf einige dieser Einwände antwortet George Burnside in seinem Buch The New International Version or the King James Version. Er schreibt:

Dem Index zufolge beinhalten die 25 aufgelisteten Bücher 15 117 Schriftstellen. 95 % dieser Schriftstellen sind aus der King James Version zitiert, 5 % aus anderen Übersetzungen. Die Revised Version erschien 1881. Über drei Viertel der Schriften Ellen Whites wurden nach dem Jahr 1881 erstellt. Daher konnte Schwester White in ihren schriftstellerischen Jahren auf mehrere revidierte Bibeln zurückgreifen.

Burnside stellt außerdem fest, dass Ellen White die modernen Übersetzungen mit der Zeit immer weniger benutzte. In ihrem letzten Buch, Zeugnisse Band 9, zitierte sie kein einziges Mal aus einer revidierten Bibel, ebenso in Propheten und Könige. In Bezug auf die vielen fehlenden Verse in den modernen Bibeln schreibt Burnside:

Wir sollten beachten, dass Verse, die in der NIV und anderen modernen Übersetzungen fehlen, von Ellen White als Wort Gottes zitiert werden. Ein Beispiel dafür ist Apostelgeschichte 8,37. In fast allen Bibelübersetzungen fehlt dieser Vers der Heiligen Schrift; Schwester White jedoch zitiert ihn als inspirierten Text.

Das gilt für zahlreiche Verse, die Ellen White konsequent nur aus der KJV zitiert, obwohl ihr andere Übersetzungen zu Verfügung standen. So zitiert sie mehrere Male aus Offenbarung 22,14 „die seine Gebote tun”, aber kein einziges Mal „die ihre Kleider waschen“, wie es fälschlich in den modernen Bibeln steht. Auch bei scheinbar „kleinen“ Textunterschieden hat Ellen White sehr genau gewählt.

Ron du Preez schreibt in seinem Buch No Fear for the Future:

Denken wir an die Geschichte vom Schächer am Kreuz. Laut Sinaiticus und Vaticanus (und damit laut allen modernen Übersetzungen des Neuen Testaments, die auf diesen Manuskripten beruhen) nannte der Schächer Jesus nicht „Herr“, sondern sagte lediglich: „Jesus, gedenke meiner“. In meinen Recherchen stieß ich dann auf diese ausführliche Anmerkung in dem Klassiker über Jesu Erdenleben Das Leben Jesu, der, wie wir Adventisten glauben, unter der Inspiration des Heiligen Geistes verfasst worden ist. Dort sagt Ellen White:
„Seine Stimme drückt Hoffnung und Furcht zugleich aus, als sich die hilflose, sterbende Seele dem mit dem Tode ringenden Heiland ausliefert: ‚Herr, gedenke an mich‘, so ruft er, ‚wenn du in dein Reich kommst!‘ … Wie wohltuend war deshalb das gläubige Vertrauen und die Liebe, die ihm der sterbende Schächer entgegenbrachte! Während die Obersten der Juden ihn verleugnen und selbst die Jünger an seiner Gottheit zweifeln, nennt diese arme, an der Schwelle der Ewigkeit stehende Seele ihn ‚Herr‘. Viele waren bereit gewesen, ihn so anzureden, als er noch Wunder wirkte, und sie waren es wieder, nachdem er aus dem Grabe auferstanden war; aber niemand beugte sich vor ihm, als er sterbend am Kreuz hing und in letzter Stunde dem bußfertigen Übeltäter das ewige Leben verhieß. Die Umstehenden hörten, wie der Übeltäter den Gekreuzigten ‚Herr‘ nannte.“ (S. 604)

Du Preez schreibt weiter:

Ellen White verfasste Das Leben Jesu 13 Jahre nach der Veröffentlichung der Revised Version (die größtenteils auf damals erst kürzlich entdeckten Manuskripten beruhte). Noch bedeutsamer ist, dass Ellen White zu diesem Zeitpunkt bereits auf die Revised Version hätte zurückgreifen können. Woher wissen wir das? Tatsächlich zitiert sie im Leben Jesu über zwei Dutzend Mal aus der Revised Version oder deren Fußnoten. Doch obwohl sie diese Übersetzung kannte und wiederholt zitierte, benutzte sie sie nicht für den Vers aus Lukas 23,42.
Offensichtlich zitiert der Geist der Weissagung die Worte der Schrift nach dem Textus receptus. Die Schaulustigen hörten, wie der Dieb „Herr“ sagt. Das ist eine bedeutsame Aussage, denn die Anrede Jesu als „Herr“ bezeugt seine Göttlichkeit. Die Tatsache, dass die Umstehenden „hörten, wie der Übeltäter den Gekreuzigten ‚Herr‘ nannte“, wird nicht in der Bibel berichtet; sie muss daher unter Inspiration geschrieben worden sein und bestätigt den Textus receptus. Jede andere Schlussfolgerung würde den Geist der Weissagung auf unsicheren Boden stellen.

Ron du Preez bringt ein weiteres Beispiel, wo Ellen White 1. Timotheus 3,16 zitiert. Er schreibt:

Betrachten wir, wie Ellen White 1. Timotheus 3,16 zitiert, so ist es auch hier interessant, dass sie auf die KJV zurückgreift, um Jesu Göttlichkeit zu beweisen – dass Jesus wahrhaftig „Gott, offenbart im Fleisch“ war.

So schreibt Ellen White über das göttliche Wesen Jesu:

Die Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur ist eine der köstlichsten und geheimnisvollsten Wahrheiten des Erlösungsplanes. Davon spricht Paulus mit folgenden Worten: „Anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottesfurcht: Gott ist geoffenbart worden im Fleisch.“ (1Tim 3,16) (Aus der Schatzkammer der Zeugnisse, Bd. 2, S. 311)

Bei der Zeltversammlung 1898 in Queensland (Australien) erhielt sie eine Vision, in der Prediger und Bibelarbeiter aufgefordert wurden, „die Wahrheit in ihrer Schlichtheit zu verkündigen“. Im sechsten Band der Zeugnisse heißt es, dass Jesus, der „große Lehrer“, zum Bibelstudium aufforderte und dass Prediger und Bibelarbeiter mehrere Textstellen über die Göttlichkeit Jesu Christi „lesen und studieren“ sollten, darunter 1. Timotheus 3,16.

Auch hier ist eine nüchterne Entscheidung gefragt, besonders wenn wir bedenken, dass Ellen White in dem genannten Band der Zeugnisse gelegentlich die Revised Version zitiert hat. Entweder wurde Ellen White in ihrer Vision getäuscht (schließlich behaupten die modernen Bibeln aufgrund von Entdeckungen Mitte des 19. Jh., dass 1. Timotheus 3,16 im Urtext Jesus nicht „Gott“ nennt), oder der „große Lehrer“ Jesus Christus hat Ellen White tatsächlich klargemacht, dass 1. Timotheus 3,16 ein Beweistext für seine Göttlichkeit ist (wie es der Textus receptus auch wiedergibt).

Ron du Preez fasst die Verwendung anderer Übersetzungen neben der King James-Bibel durch den Geist der Weissagung wie folgt zusammen:

  • Gab eine neue Übersetzung die Aussagen der KJV deutlicher wieder, benutzte sie die neue Übersetzung (z. B. um veraltete Wörter und Redewendungen zu vermeiden).
  • Ohne die biblischen Originalsprachen zu kennen, wählte Ellen White (offensichtlich unter göttlicher Leitung) dabei eine Übersetzung, die den ursprünglichen hebräischen bzw. griechischen Wortlaut (gemäß den Manuskripten des Textus receptus) korrekter wiedergab.
  • Wo wesentliche Konzepte oder zentrale Lehren auf dem Spiel standen, blieb sie fest bei der KJV, wie wir oben bereits gezeigt haben. Sie benutzte die KJV u. a. als Autorität für die Göttlichkeit Jesu (Lk 23,42; 1Tim 3,16) und die Treue gegenüber dem Dekalog (Off 22,14).

Verändern moderne Bibelübersetzungen adventistische Lehren?

a) Heiligtumsdienst

Hebräerbrief

Professor Damsteegt schreibt über die NIV [deutsche Texte nach Hoffnung für alle]:

Diese Übersetzung verschiebt in ihrer Wiedergabe des Hebräerbriefes den gesamten Dienst Christi im Himmel auf den Versöhnungstag. Die Übersetzer lassen die Leser nicht im Zweifel darüber, dass Christus gleich nach seiner Himmelfahrt das Allerheiligste betrat und seinen Sühnedienst begann. Man beachte folgende Beispiele: Unsere Hoffnung reicht hinein „bis ins Allerheiligste hinter dem Vorhang” (6,19); „solange das irdische Heiligtum noch steht, bleibt uns der Zugang zum Allerheiligsten, zu Gott, verschlossen“ (9,8); „Christus … opferte im Allerheiligsten sein eigenes Blut ein für alle Mal“ (9,12). (Adventists Affirm, Herbst 1992)

Das griechische Wort für „Allerheiligstes” (hagia hagiōn) kommt im Hebräerbrief nur in Kapitel 9,3 vor. In allen anderen Versen steht das griechische Wort hagion, das mit „Heiligtum” oder „das Heilige” übersetzt werden kann. Das ist wesentlich für die adventistische Theologie, die besondere Identität unserer Gemeinde und ihren Auftrag.

Daniel 8,14

Bevor wir die moderne Übersetzung von Daniel 8,14 betrachten, wollen wir nachlesen, was der Geist der Weissagung zu diesem Vers sagt.

Die Bibelstelle, die vor allen andern die Grundlage und der Hauptpfeiler des Adventglaubens war, ist die in Daniel 8,14 gegebene Erklärung: „Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen um sind; dann wird das Heiligtum wieder geweiht werden.“ Dies waren allen denen vertraute Worte, die an das baldige Kommen des Herrn geglaubt hatten. Von tausenden Lippen klang diese Weissagung als das Losungswort ihres Glaubens. Alle fühlten, dass von den darin dargelegten Ereignissen ihre strahlendsten Erwartungen und liebsten Hoffnungen abhingen. Sie hatten gezeigt, dass diese prophetischen Tage im Herbst des Jahres 1844 zu Ende gingen. (Der große Kampf, S. 409)

SCHLUT
Bis zu 2.300 Abenden und Morgen; dann wird das Heiligtum gerechtfertigt werden!Bis zweitausenddreihundert Abende und Morgen vergangen sind; dann wird das Heiligtum wieder geweiht werden.

Das Wort „gerechtfertigt“ wird hier als „wieder geweiht“ übersetzt. Das ist irreführend, denn das himmlische Heiligtum wurde einmal geweiht und wird einmal gerechtfertigt bzw. gereinigt, aber nicht „wieder“ geweiht. Diese Textänderung zerstört die ganze Prophezeiung der 2300 Tage. Der Geist der Weissagung sagt deutlich:

Achtzehn Jahrhunderte lang wurde dieser Dienst im ersten Teil des Heiligtums fortgeführt. Das Blut Christi legte Fürbitte für reumütige Gläubige ein und verschaffte ihnen Vergebung und Annahme beim Vater, doch standen ihre Sünden noch immer in den Büchern verzeichnet. Wie im irdischen Heiligtum am Ende des Jahres ein Versöhnungsdienst stattfand, so muss, ehe Christi Aufgabe der Erlösung der Menschen vollendet werden kann, das himmlische Heiligtum durch die Entfernung der Sünden versöhnt werden. Dies ist der Dienst, der am Ende der 2300 Tage begann. Zu jener Zeit trat … unser großer Hoherpriester in das Allerheiligste, um den letzten Teil seines feierlichen Werkes, die Reinigung des Heiligtums, zu vollziehen. (Der große Kampf, S. 422f.)

Die Heilige Schrift sagt deutlich, dass kein priesterlicher Dienst im Heiligtum möglich ist ohne Blut, dass Christus aber nicht mit dem Blut von Böcken und Kälbern wie zur Zeit des Alten Testamentes, sondern mit seinem eigenen Blut das Heiligtum betreten hat. Sein Priesterdienst konnte darum erst nach dem Opfer auf Golgatha beginnen. Der frühestmögliche Zeitpunkt für Christi Dienst im Heiligen war somit gleich nach der Himmelfahrt. Und wann trat er den Dienst im Allerheiligsten an? Es gibt nur eine Prophezeiung, die die Zeit der Reinigung des Heiligtums (den antitypischen Versöhnungstag) voraussagt, und zwar die Prophezeiung der 2300 Tage in Daniel 8,14, die im Jahr 1844 endet. Dies ist der Zeitpunkt des Untersuchungsgerichtes – eine Botschaft, die nur Siebenten-Tags-Adventisten verkündigen. Ohne diese Prophezeiung wären Siebenten-Tags-Adventisten nicht mehr die Gemeinde der Übrigen, denen in der Dreiengelbotschaft die letzte Warnung an die Welt anvertraut ist.

b) Der Sabbat und Gottes Gesetz

Kolosser 2,16

ELB (1905)ELB (1993)
So richte euch nun niemand über Speise oder Trank, oder in Ansehung eines Festes oder Neumondes oder von SabbatenSo richte euch nun niemand wegen Speise oder Trank oder betreffs eines Festes oder Neumondes oder Sabbats

Hier wird ein im Grundtext in der Mehrzahl stehendes Wort („Sabbate“) im Singular („Sabbat“) wiedergegeben. Damit richtet sich die Aussage gegen den Sabbat (nämlich den wöchentlichen) statt die Sabbate, die als Teil des Zeremonialgesetzes „ein Schatten der künftigen Dinge“ waren und auf Christus hinwiesen. Die Sabbate wurden am Kreuz abgeschafft – nicht jedoch der Siebenten-Tags-Sabbat, der bei der Schöpfung eingesetzt wurde.


Apostelgeschichte 13,42

SCHNL
Als aber die Juden aus der Synagoge gegangen waren, baten die Heiden darum, dass ihnen diese Worte auch am nächsten Sabbat verkündigt würden.Als Paulus und Barnabas die Synagoge an diesem Tag verließen, baten die Leute sie, in der folgenden Woche wiederzukommen und weiter darüber zu sprechen.

Der Vers bringt klar zum Ausdruck, dass die Versammlung am Sabbat stattfand. Die Neues-Leben-Übersetzung verschleiert diese Tatsache und redet einfach von „den Leuten“ statt von Juden und Heiden – vielleicht, weil es die Sonntagsheiligung in ein schlechtes Licht stellt, wenn sowohl Juden wie Heiden auch nach dem Kreuz am Sabbat Gottesdienst feierten?


Offenbarung 22,14

SCHELB
Glückselig sind, die seine Gebote tun, damit sie Anrecht haben an dem Baum des Lebens und durch die Tore in die Stadt eingehen können.Glückselig, die ihre Kleider waschen, damit sie ein Anrecht am Baum des Lebens haben und durch die Tore in die Stadt hineingehen!

Dies ist ein Schlüsselvers adventistischer Theologie. Müssen wir die Gebote halten, um Zugang zur Stadt zu erhalten?

Die neuen Übersetzungen begründen den veränderten Text „die ihre Kleider waschen“ mit Sinaiticus, Vaticanus, einigen weiteren alexandrinischen Manuskripten und der Vulgata. Doch die Kirchenväter zitierten diesen Vers noch viel früher, als die besagten Manuskripten alt sind, und zwar durchgängig mit „die seine Gebote tun“, darunter Tertullian (299 n. Chr.), Cyprian (248 – 258) und Tertonius (390). Der alexandrinische Bischof Athanasius war der Erste, der im 4. Jh. (326 – 373) den Ausdruck „die ihre Kleider waschen“ benutzte. (George Burnside, The NIV or the KJV, S. 12)

Auch die alte syrische und die koptische Bibel erwähnen die Gebote. Der Geist der Weissagung zitiert den Vers mehrfach und immer nach der KJV. Im Buch Frühe Schriften erwähnt sie, wie korrupte Schreiber die Worte der Schrift änderten. Man beachte, wie leicht sich dieser Vers im Griechischen ändern lässt:

„Die seine Gebote tun“: hoi poiountes tas entolas autou

„Die ihre Kleider waschen“: hoi plunontes tas stolas autōn

Die folgenden zwei Zitate stammen aus dem Buch Frühe Schriften:

Jesus öffnete die Tore der goldenen Stadt und führte uns hinein. Hier wurden wir willkommen geheißen, weil wir die Gebote Gottes gehalten und ein Recht am Baum des Lebens hatten. (S. 26)

Alle, die die Gebote Gottes halten, werden durch die Tore in die Stadt eingehen und ein Recht am Baum des Lebens haben … (S. 41)

George Burnside wurde mit der Frage konfrontiert, warum nicht auch die anderen Verse über die Gebote (z. B. Off 12,17 und 14,12) verändert wurden, wenn dies ein römischer Komplott gegen Gottes Gesetz sein sollte. Er antwortete, in Offenbarung 22,14 sei das Halten der Gebote eine Bedingung für die endgültige Erlösung: Nur wer die Gebote hält, bekommt Zugang zum Lebensbaum (natürlich ist Gehorsam eine Folge der Erlösung, kein Mittel zur Erlösung). Über die anderen Verse schreibt er:

Die meisten Gegner tun Offenbarung 12,17 und 14,12 mit der Behauptung ab, das würde sich auf die Juden beziehen, die nach der Entrückung auf der Erde zurückbleiben. Fast alle sind Futuristen. Es ist nicht schwer, sie zu widerlegen, doch braucht es Zeit, die in einer Diskussion meist knapp ist. Es ist bekannt, dass der Futurismus aus dem Vatikan stammt, womit wir wieder beim Ausgangspunkt der Verfälschung wären. (The NIV or the KJV, S. 142)

Zur Frage, ob Offenbarung 7,14 ebenfalls eine katholische Verdrehung sei, schreibt er:

Die Aussage in Offenbarung 7,14 steht für mich in deutlichem Kontrast, denn die Heiligen haben „ihre Kleider gewaschen, und sie haben ihre Kleider weiß gemacht in dem Blut des Lammes“. Das ist eine herrliche Aussage über eine wunderbare Wahrheit. Sie offenbart das einzige Mittel unserer Reinigung. Es ist eine Wahrheit, die oft wiederholt werden sollte und doch selten gehört wird. Es ist eine vollständige und vollendete Aussage. Man beachte im Vergleich Offenbarung 22,14 in den modernen „Zersetzungen“ (wie ich sie nenne): „die ihre Kleider waschen” – was bedeutet das? Es bedeutet nichts! Ist von einem Waschtag die Rede? Keinerlei Erklärung, wie das Waschen vor sich gehen soll. Wie viele andere Aussagen in den modernen Übersetzungen klingt es fast absurd. Ich erkenne hier die Handschrift des Feindes. Mögen wir immer mit Christi Dienern aus alter Zeit sagen können: „Wir sind nicht wie so viele, die das Wort Gottes verfälschen.“ (2Kor 2,17) (S. 143)

c) Zustand der Toten

Viele Verse könnten an dieser Stelle zitiert werden, doch beschränken wir uns auf einige wenige, die der reinen Lehre schmerzlich widersprechen.

2. Petrus 2,9

SCHGN
So weiß der Herr die Gottesfürchtigen aus der Versuchung zu erretten, die Ungerechten aber zur Bestrafung aufzubewahren für den Tag des Gerichts.Der Herr weiß, wie er die, die ihn ehren, aus der Bedrängnis herausreißt. Aber alle, die Unrecht tun, lässt er warten, bis sie am Tag des Gerichts ihre Strafe bekommen.

Dieser Vers öffnet einem falschen Schriftverständnis die Tür: Wenn die Toten auf ihre Strafe „warten“, dann sind sie offenbar noch bei Bewusstsein. Gibt es doch einen Ort wie das Fegefeuer?


Hiob 26,5

SCHGN
Die Schatten werden von Zittern erfasst unter den Wassern und ihren Bewohnern.Sogar die Geister der Verstorbenen zittern dort in der Tiefe unterm Meeresboden.

„Die Schatten“ ist ein bildlicher Ausdruck für die Toten, doch „die Geister der Verstorbenen“ leistet der Vorstellung einer „unsterblichen Seele“ Vorschub, die weiterlebt, während der Körper des Verstorbenen zerfällt.

d) Rein und unrein

Markus 7,18.19

SCHELB
18 Begreift ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineinkommt, ihn nicht verunreinigen kann?  19 Denn es kommt nicht in sein Herz, sondern in den Bauch und wird auf dem natürlichen Weg, der alle Speisen reinigt, ausgeschieden.18 Begreift ihr nicht, dass alles, was von außen in den Menschen hineingeht, ihn nicht verunreinigen kann?  19 Denn es geht nicht in sein Herz hinein, sondern in den Bauch, und es geht heraus in den Abort. Damit erklärte er alle Speisen für rein.

Der letzte Satz in der Elberfelder Bibel ist eigentlich typisch für eine dynamisch-äquivalente Übersetzung, in der eher der Sinn als der buchstäbliche Text wiedergegeben wird. Umso bedenklicher ist es, dass eine traditionell wortgetreue Übersetzung sich zu einer solchen verfälschten Wiedergabe hinreißen lässt. Die alte Elberfelder von 1905 hatte noch korrekt mit „es geht heraus in den Abort, indem so alle Speisen gereinigt werden“ übersetzt. Im Kontext des Verses geht es auch gar nicht um unreine Speisen, sondern um den Zustand eines unbekehrten Herzens.

e) Der körperliche Zustand eines Propheten in Vision

4. Mose 24,3.4

SCHGN
So spricht Bileam, der Sohn Beors, und so spricht der Mann, dessen Augen geöffnet sind; so spricht der, welcher die Worte Gottes hört, der ein Gesicht des Allmächtigen sieht, der niederfällt, aber dessen Augen enthüllt sind.Spruch Bileams, des Sohnes Beors, Spruch des Mannes mit geschlossenem Auge, Spruch dessen, der Gottesworte hört, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der daliegt mit entschleierten Augen.GN Und er sagte: ‚Ich höre, was der Herr verkündet. Ich sehe, was der Mächtige mir zeigt. Ich liege da – die Augen sind geschlossen –, ich schaue, was mir Gott vor Augen stellt.

Die „geöffneten“ und „enthüllten“ Augen der Schlachter 2000 werden in der Einheitsübersetzung zu „geschlossenen“ und „entschleierten“ Augen, sodass man „entschleiert“ eigentlich nicht als körperliche Beschreibung, sondern als Bild für eine Offenbarung verstehen muss, will man nicht in direkten Gegensatz zum „geschlossenen Auge“ kommen. Die Gute Nachricht ist in der Hinsicht zumindest eindeutig: Dort sind die Augen des Propheten in der Vision konsequent „geschlossen“.

Was gibt es sonst für körperliche Phänomene während einer Vision?

Daniel 10,7-9.17.18

SCH 7 Und ich, Daniel, sah die Erscheinung allein …  8 Es blieb aber keine Kraft in mir … und ich behielt keine Kraft  9 … als ich aber den Klang seiner Worte hörte, sank ich ohnmächtig auf mein Angesicht zur Erde nieder …

SCHNLHFA
17 Und wie könnte ein Knecht dieses meines Herrn mit diesem meinem Herrn reden? Und nun ist keine Kraft mehr in mir, und der Atem ist mir ausgegangen.17 Wie könnte ein unwürdiger Sklave wie ich zu einem Herrn, wie du es bist, sprechen? Ich habe selbst jetzt noch keine Kraft und bekomme kaum Luft.17 Ich stehe vor dir wie ein Sklave vor seinem Herrn. Wie könnte ich es wagen, überhaupt ein Wort an dich zu richten? Dazu fehlt mir der Mut, und meine Kehle ist wie zugeschnürt.

SCH 18 Da rührte mich der, welcher einem Menschen glich, nochmals an und stärkte mich.

Wenn ein wahrer Prophet eine Vision erhält, atmet er nicht mehr. Die Übersetzungen Neues Leben und Hoffnung für alle geben dieses wichtige Kennzeichen verfälscht oder gar nicht wieder. HFA umschreibt zudem die physische Kraftlosigkeit des Propheten unzutreffend mit „Mir fehlt der Mut“.

Die körperlichen Phänomene während einer Vision sind eindeutig übernatürlich und können nur von Gott bewirkt werden. Die biblische Beschreibung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Der Prophet sinkt ohnmächtig zu Boden.
  • Er wird aufgerichtet und von Gott gestärkt.
  • Seine Augen sind weit geöffnet.
  • Er atmet nicht, kann aber sprechen.

Betrachten wir einmal, wie sich diese biblischen Kennzeichen bei Ellen White zeigten und sie als echte Prophetin auswiesen. Gott hat dafür gesorgt, dass diese Phänomene geprüft und für die Nachwelt aufgezeichnet wurden, damit sich alle davon überzeugen können. Viele ihrer Visionen fanden im Beisein anderer statt, die so zu Augenzeugen des Geschehens wurden. Ihr Enkel Arthur L. White berichtet in ihrer Biografie:

Wenn sie die Vision empfing, rief sie dreimal verzückt „Herrlichkeit!“, was wie ein Echo beim zweiten und dritten Mal jeweils schwächer, aber noch ergreifender klang. Es war, als würde sie aus weiter Entfernung sprechen und bald nicht mehr zu hören sein. Vier oder fünf Sekunden lang schien sie wie bewusstlos niederzusinken, als hätte sie ihre Kraft verloren, dann wurde sie plötzlich mit übermenschlicher Kraft erfüllt. Manchmal stand sie sofort auf und ging im Raum umher. Oft bewegte sie ihre Hände und Arme und zeigte nach rechts oder links. Auch ihr Kopf drehte sich in die jeweilige Richtung. Jede Bewegung war überaus anmutig. Wie immer sie Hand oder Arm gerade hielt: Niemand war in der Lage, ihre Stellung zu verändern. Ihre Augen blieben offen, ohne zu zwinkern. Kopf und Augen waren nach oben gerichtet, doch nicht mit einem leeren, starren Blick, sondern mit angenehmem Gesichtsausdruck. (Ellen G. White, Bd. 1, S. 122)

Ein weiterer Augenzeuge schildert ihre Vision am 12. Juni 1868:

Während sie zu uns sprach, ging sie auf und ab; auf einmal fiel sie zu Boden, doch sanft, als ob Engelhände unter ihr wären … Schwester White lag dort völlig ruhig und unbewusst … Ihre Augen waren offen, sie hatten einen angenehmen Gesichtsausdruck. Nichts war unnormal oder ungewöhnlich … Bruder White bat einige starke Männer: „Zieht ihre Hände auseinander. Fasst mit euren beiden Händen jeweils eine ihrer Hände und zieht sie einfach auseinander.” Sie versuchten es. Sie zogen und zogen, bis einige sich Sorgen machten, sie könnten sie verletzen. Bruder White sagte: „Keine Angst, sie ist sicher unter Gottes Schutz. Ihr könnt ziehen, bis ihr ganz überzeugt seid.“ Sie erwiderten: „Es genügt uns, wir brauchen nicht weiter zu ziehen.” Er sagte: „Bewegt einen ihrer Finger.“ Es war unmöglich. Sie konnten nicht einmal einen Finger bewegen. Er war hart wie Granit … Bruder White forderte die Männer auf: „Haltet sie nun fest.” Wahrscheinlich dachten die Männer, das sei nicht schwer. Sie griffen ihre Handgelenke, doch sie konnten ihre Bewegungen nicht verhindern. Es sah so aus, als könnte jedes Kind sie festhalten, doch sie ließ sich nicht stören … „Lasst uns nun sehen, ob sich ihre Augenlider schließen.“ Auf einem Ständer war eine große Kerosinlampe. Er entfernte den Lampenschirm und hielt ihr das Licht direkt vor die Augen. Wir dachten, sie würde ihre Augen bewegen, um sie zu schützen, doch nichts geschah. Sie war ohne jedes Bewusstsein … ihre Augenlider schlossen sich nicht … Bruder White sagte: „Jetzt wollen wir noch sehen, ob sie atmet.“ Abgesehen davon, dass kein Atem bemerkbar war, schien ihr Zustand völlig normal zu sein. Bruder White sagte: „Kann jemand einen Spiegel holen, dann werden wir es überprüfen.“ Also ging jemand nach nebenan und brachte einen Spiegel. Er wurde ihr direkt vor das Gesicht gehalten, doch er beschlug nicht. Sie atmete nicht. (Bd. 2, S. 232ff.)

Als Evangelist bin ich mir des Widerstands der Welt und auch einiger unserer Gemeindeglieder gegen die Prophetin der Übrigen und ihre Theologie bewusst. Umso wichtiger ist es, dass wir ein „So spricht der Herr“ haben, um diesen Punkt klar zu belegen.

f) Das kleine Horn aus Daniel

Dan 7,8 SCH Während ich achtgab auf die Hörner, siehe, da stieg ein anderes, kleines Horn zwischen denselben auf, und drei der vorherigen Hörner wurden vor ihm ausgerissen; und siehe, dieses Horn hatte Augen wie Menschenaugen und ein Maul, das große Dinge redete.

Einige Studienbibeln identifizieren dieses „kleine Horn“ als den Antichristus. Mit dieser Auslegung stimmen wir überein. Doch wie steht es um Daniel 8, wo es um dieselbe Macht geht?

Daniel 8,8.9

ELBNL
8 Und der Ziegenbock wurde überaus groß. Und als er stark geworden war, zerbrach das große Horn, und vier ansehnliche Hörner wuchsen an seiner Stelle nach den vier Winden des Himmels hin.  9 Und aus dem einen von ihnen kam ein einzelnes Horn hervor, zunächst klein, aber es wurde übermäßig groß gegen Süden und gegen Osten und gegen die Zierde.8 Der Ziegenbock wurde sehr mächtig. Doch auf der Höhe seiner Macht brach sein großes Horn ab. An der Stelle dieses großen Horns wuchsen ihm vier gewaltige Hörner, die in alle vier Himmelsrichtungen zeigten. 9 Aus einem dieser Hörner wuchs ein weiteres Horn heraus, das zuerst sehr klein war, aber dann außerordentlich groß wurde. Es reichte weit nach Süden und Osten und hin zum herrlichen Land Israel.

Neues Leben gibt die Verse falsch wieder, weil das grammatische Geschlecht (das Genus) der Himmelswinde und der Hörner ignoriert wird. Das Genus macht es unmöglich, dass das kleine Horn aus einem der vorigen Hörner herauswächst (womit es ein griechischer König wäre). Stattdessen muss sich „aus einem von ihnen“ auf die vier Winde bzw. Himmelsrichtungen beziehen.

Die falsche Übersetzung kommt allerdings dem weit verbreiteten Irrglauben entgegen, das kleine Horn beschreibe Antiochus IV. Epiphanes, der während seiner letzten Herrschaftsjahre (168 – 164 v. Chr.) den jüdischen Glauben gewaltsam auslöschen wollte, und sei gleichzeitig ein Typus für den zukünftigen Antichristus. Damit wird die Verwirrung perfekt: Der Antichristus ist sowohl ein griechischer König als auch das Tier aus Offenbarung 13, das in der Zukunft aufsteigen soll. Eine Mischung von präteristischer und futuristischer Prophetieauslegung, und schon ist Rom aus dem Schneider.

Fazit

„Welche Bibel soll ich lesen?“ Wir können eine Bibel wählen, die bereits im Grundtext eine bedeutende Anzahl von Aussagen verändert oder ganz weglässt – Zeugnisse für die Ebenbürtigkeit der Göttlichkeit Christi mit dem Vater, für die Herrlichkeit und Macht Jesu, für die Vollständigkeit seiner Menschwerdung, für seine Auferstehung und Himmelfahrt. Oder wir wählen eine Bibel, die all dies bewahrt, sich dabei auf die überwältigende Mehrzahl der über 5.000 Textzeugen verlässt und sich auf einer Linie mit der Gemeinde in der Wüste, den Reformatoren und jahrhundertelang bewährten Übersetzungen wie der alten Luther-Bibel und der King James Version weiß.

Wir können uns für eine Übersetzung entscheiden, die mehr einer Übertragung gleicht; die damit in vielem das Vorverständnis der Übersetzer widerspiegelt und an entscheidenden Stellen adventistische Lehrpunkte verwischt und untergräbt. Oder wir entscheiden uns für eine Übersetzung, die sich bemüht, den ursprünglichen Wortlaut in allen Details getreu wiederzugeben, und es dem Leser und dem Heiligen Geist überlässt, das Licht der enthaltenen Wahrheiten zum Vorschein zu bringen.

„Welche Bibel soll ich lesen?“ Es ist mein Gebet, dass der Herr uns zeigt, dass die Antwort darauf weitreichendere Konsequenzen hat, als viele meinen.

Adaptiert aus: „Bible Versions: Does it matter which Bible we use?“, Faith on the Line, Bd. 14, Nr. 3 (2009), amazingdiscoveries.org/storage/799


Verwendete Bibelübersetzungen:

  • SCH = Schlachter 2000
  • ELB = Elberfelder (revidiert)
  • LUT = Luther 1984
  • GN = Gute Nachricht
  • HFA = Hoffnung für alle
  • NL = Neues Leben Bibel
  • EÜ = Einheitsübersetzung