Das Recht des Stärkeren

Das Recht des Stärkeren – der Historiker Jona Thiel beschreibt es so: „Das Konzept des Rechts des Stärkeren beschäftigt die Menschheit seit jeher. […] Wenn eine Partei der anderen überlegen ist, setzt sich die Stärkere durch.“ Staaten und ihre Herrscher würden ihre Interessen mit Waffengewalt durchsetzen: „Sei es, um das eigene Reich zu erweitern, aus wirtschaftlichem Kalkül oder wegen konfessioneller Verwerfungen.“

1945 war die Geburtsstunde der UNO. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von 51 Ländern gegründet, um sich „für den Erhalt des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Nationen und die Förderung des sozialen Fortschritts, die Menschenrechte und einen besseren Lebensstandard für alle“ einzusetzen. Gemäß der UN-Charta trägt dabei der Sicherheitsrat „die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit.“ Alle Mitgliedstaaten seien verpflichtet, den Beschlüssen des Rates Folge zu leisten. Zur Beilegung von Streitfällen gibt es dann den Internationalen Gerichtshof mit Sitz in Den Haag – gültig allerdings nur für diejenigen, die ihm beigetreten sind. Einige der mächtigsten und streitbarsten Länder – die Vereinigten Staaten, Russland und China – sind das allerdings nicht und können deshalb von diesem auch nicht belangt werden.

Auch die drastische Zunahme der Anzahl der Kriege, Bürgerkriege und zwischenstaatlicher Konflikte pro Jahr seit 1945 macht deutlich, dass der Traum vom Frieden weder durch die UNO-Charta noch durch den Sicherheitsrat garantiert werden kann. Abgesehen davon machen die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates China, Frankreich, Russland, Großbritannien sowie die USA fleißig von ihrem Vetorecht Gebrauch, mit dem sie gegen jeden ihnen missliebigen Antrag im UN-Sicherheitsrat stimmen können. Zuletzt machten die USA am 20. November 2024 von ihrem Veto Gebrauch und verhinderten eine Resolution des Sicherheitsrates zu einem Waffenstillstand im Gazastreifen. Damit wird deutlich: Der Sicherheitsrat selbst ist von seiner grundsätzlichen Struktur her Ausdruck des Rechtes der Stärkeren, denn nichts anderes bedeutet es, wenn durch das Vetorecht eines einzelnen einflussreichen Staates der Beschluss einer ganzen Staatengemeinschaft unwirksam gemacht werden kann – was oft genug passiert.

Die Rede vom Recht des Stärkeren machte erst neulich wieder seine Runde, als die Vereinigten Staaten den Iran bombardierten. Markus Becker vom SPIEGEL stellt die Frage: „Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg soll gerechtfertigt sein, wenn ein Land sich weigert, auf das Verhandlungsgebot der Gegenseite einzugehen?“ Oder als die Israelis mehr als 60 wehrlose Menschen töteten, die sich Lebensmittel an Verteilstellen in Gaza abholen wollten – Hunderte wurden verletzt. Israel hat sowieso Narrenfreiheit. Es verbietet „dem Uno-Palästinenserhilfswerk UNRWA die Tätigkeit in Israel, womit auch die Arbeit im Gazastreifen de facto unmöglich geworden ist.“ Hinter Israel steht Amerika – und damit auch Deutschland. Merz hat „Israels Premierminister Benjamin Netanyahu nach Deutschland eingeladen und ihm trotz Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) freies Geleit versprochen.“ So kann Israel tun, was ihm beliebt: den Gazastreifen, Syrien, den Libanon oder auch den Iran nach Belieben bombardieren.

Ganz nebenbei belegt Trump den Internationalen Gerichtshof mit Sanktionen und droht ihm unverhohlen, weil er im November 2024 Haftbefehl gegen Netanjahu wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen erlassen hatte. Gegen die Mächtigen der Welt ist der Internationale Gerichtshof ein zahnloser Tiger. Wie Israel und Russland zählen die USA nicht zu den 125 Staaten, die den Internationalen Gerichtshof anerkannt haben. So herrschen trotz UNO, Sicherheitsrat und Internationalem Gerichtshof Faustrecht und das Recht des Stärkeren nicht nur auf den Schulhöfen, sondern auch auf dem internationalen Parkett der angeblich zivilisierten Welt. Der Stärkere setzt sich durch – das ist die These einer Welt ohne Gott.

Und Gott? Schweigt er, der Stärkste der Starken? Die Bibel kündigt ein Szenario an, welches den Kreislauf des Rechts des Stärkeren, die Ablösung eines Weltreiches durch das nächst mit Waffengewalt, ein für allemal beenden wird. In der Bibel wird beschrieben, dass Gott nach all den Weltreichen ein Königreich aufrichten wird, „das in Ewigkeit nicht untergehen wird; und sein Reich wird keinem anderen Volk überlassen werden; es wird alle jene Königreiche zermalmen und ihnen ein Ende machen; es selbst aber wird in Ewigkeit bestehen“. (Daniel 2, 44) Hat sich damit wieder nur das Recht des Stärkeren durchgesetzt, diesmal endgültig? Wenn man so will: Ja. Allerdings gibt es einen gewaltigen Unterschied der Herrschaft Gottes zu all den irdischen Weltreichen: Gottes Reich ist ein Friedensreich, welches auf den Grundlagen wahrer Gerechtigkeit und Barmherzigkeit beruht. Im Reich Gottes werden die Schwachen und Wehrlosen beschützt, statt ausgebeutet zu werden.

StpH, 08.07.2025


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