Die Marschrichtung der Jesuiten

Anlässlich eines Treffens der Höheren Oberen der Gesellschaft Jesu, wie sich der Orden der Jesuiten selber nennt, gewährte Papst Leo XIV. diesen eine Audienz. Dabei hielt er eine Ansprache, die nach außen hin recht fromm scheint, bei näherem Hinsehen aber offenbart, dass die Jesuiten nach wie vor Speerspitze des Vatikans sind, wenn es darum geht, Macht und Ansehen der katholischen Kirche zu vergrößern.

Bei der Ansprache, welche am 24. Oktober 2025 gehalten wurde, sprach der Papst von der heutigen Weltsituation als von einer Zeit, die viele als „epochalen Wandel“ bezeichnen würden. Drängende Fragen der Zeit beträfen beispielsweise Künstliche Intelligenz, die ökologische Zerstörung und die Vergrößerung der Schere zwischen arm und reich. Weitere Problemstellungen seien die Spaltung der Gesellschaft durch politische Idealisierung, Konsumdenken, Individualismus und Gleichgültigkeit.

Um diesen Problemen zu begegnen, sieht der Papst die Jesuiten an vorderster Front. Spirituelle Begleitung, intellektuelle Bildung, Dienst an den Armen und christliches Zeugnis an kulturellen Grenzen seien Werkzeuge, um einer Gesellschaft am Scheideweg hilfreich zur Seite zu stehen.

Was sich auf den ersten Blick unscheinbar anhört, hat es in sich, schaut man etwas näher hin. „Ein Papst, der genau weiß, was er sagt“, äußert sich etwa Massimo Faggioli, Professor für Ekklesiologie am Loyola Institute des Trinity College in Dublin. Der Kirchenhistoriker und Theologe gilt als einer der führenden Experten für das Zweite Vatikanische Konzil sowie Fragen der zeitgenössischen katholischen Kirche. „Leo wägt jedes Wort. Er sagt nur, was er sagen will und meint.“

Bezieht man diese Aussage auf die Ansprache vor den Jesuitenführern, entpuppen sich die scheinbar frommen Aussagen als Ansage der Marschrichtung an diese. In seiner Rede zitiert Leo XIV. einen seiner Vorgänger mit den Worten: „‚Überall in der Kirche, selbst in den schwierigsten und extremsten Bereichen, an den Schnittstellen der Ideologien … gab und gibt es Jesuiten‘“, und setzt fort: „Die Kirche braucht euch an den Grenzen – seien sie geografischer, kultureller, intellektueller oder spiritueller Natur. Das sind Orte des Risikos, an denen vertraute Landkarten nicht mehr ausreichen. […] Wenn der Heilige Geist den apostolischen Leib für ein höheres Wohl an einen anderen Ort führt, kann dies erfordern, dass man sich von lang gehegten Strukturen oder Rollen löst – eine Übung in ignatianischer ‚heiliger Gleichgültigkeit‘.“ Mit dem Charakter des Jesuitenordens nicht vertrauten Hörern mögen diese Worte rätselhaft erscheinen. Wer sich allerdings ein wenig mit seiner Rolle in Vergangenheit und Gegenwart befasst, dem erschließen sie sich.

Jesuiten sind bekannt dafür, dass sie nicht nur im geschützten Rahmen der Kirche auftreten, womit auch andere vor ihren Umtrieben geschützt wären, sondern sich an den „Schnittstellen der Ideologien“ und der Gesellschaft aufhalten – als Politiker in den höchsten Positionen, Bankdirektoren oder Künstler. Dabei betrachten sie sich „als Elite, die über den gewöhnlichen Leuten steht“, bemerkte seinerzeit der flämische Europaabgeordnete Derk Jan Eppink. Jesuiten lügen und verdrehen die Wahrheit, wann immer es ihnen nützlich erscheinen mag.

In dem Bestseller „Vom Schatten zum Licht“, einem hervorragenden Überblick über die letzten 2000 Jahre Kirchengeschichte, wird die Rolle der Jesuiten wie folgt beschrieben: Gegründet in der Zeit der Gegenreformation, um die neugewonnenen Freiheiten des Protestantismus und seine Anhänger zu bekämpfen und die Rolle der katholischen Kirche zu stärken, „begeisterten die Jesuiten ihre Nachfolger mit einem fanatischen Eifer, der sie befähigte, […] der Macht der Wahrheit mit den Waffen der Täuschung entgegenzutreten. Kein Verbrechen war ihnen zu groß, keine Täuschung zu abscheulich, keine Verschleierung zu aufwendig, um sie auszuführen. Sie selbst waren durch Gelübde an Armut und Bescheidenheit gebunden. Ihre Aufgabe war es jedoch, sich für Reichtum und Macht einzusetzen, um diese zum Sturz des Protestantismus und zur Wiederherstellung der päpstlichen Herrschaft zu verwenden.

Wenn sie als Mitglieder des Ordens auftraten, trugen sie das Gewand der Heiligkeit, besuchten Gefängnisse und Krankenhäuser, halfen Armen und Kranken, gaben vor, der Welt abgesagt zu haben, und trugen den heiligen Namen Jesu, der überall Gutes tat. Doch unter diesem tadellosen Äußeren wurden oft die verbrecherischsten und tödlichsten Absichten verborgen. Gemäß dieser Richtlinie waren Lüge, Diebstahl, Meineid, Meuchelmord nicht nur verzeihbar, sondern empfehlenswert, wenn sie den Interessen der Kirche dienten. Unter verschiedensten Verkleidungen bahnten sich die Jesuiten ihren Weg in die Staatsämter, wurden Ratgeber der Könige und gestalteten die Regierungspolitik. Sie wurden Staatsdiener, um als Spione ihre Vorgesetzten zu überwachen. Sie bauten Schulen für Söhne von Fürsten und Adligen auf und solche für das normale Volk.“

So helfen die Jesuiten nach außen hin den Armen und Schwachen dieser Welt, sind aber, an den Schaltstellen der Macht sitzend, für eben diese Vergrößerung des Elends dieser Welt verantwortlich. Sie sollen „der Diktatur einer Wirtschaft, die tötet” entgegentreten, die sie doch selbst geschaffen haben.

Betrachtet man die Aussagen Leos XIV. vor diesem Hintergrund, bekommen sie eine ganz andere, oder überhaupt erst eine Bedeutung. Die ignatianische „heilige Gleichgültigkeit“ wird dann ein Synonym dafür, dass der Zweck die Mittel heiligt, somit alles erlaubt ist, wenn es dem guten Ziel dient – nämlich dem Erstarken der katholischen Kirche – und dadurch geheiligt ist. Auf diese Art und Weise soll auf einen „systemischen Wandel“ hingearbeitet werden.

Immer wieder betonen die Päpste die Bedeutung von KI – künstliche Intelligenz findet sowohl bei Leo XIV. als auch bei seinem Vorgänger Franziskus Erwähnung. So, wie Papst Franziskus den Vatikan als Garant für die ethisch richtige Ausrichtung künstlicher Intelligenz sieht, sollen auch die Jesuiten dafür sorgen, dass sie an den Schaltstellen von KI sitzen.

Leo XIV. fordert die Jesuiten dazu auf, „junge Menschen auf ihrem Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft zu begleiten - […] Studenten, Migranten, Aktivisten, Unternehmer, Ordensleute und Menschen am Rande der Gesellschaft“ – es sind alle gemeint. Es ist klar, dass dem Papst junge Leute besonders am Herzen liegen, sind sie es doch, die die Zukunft der katholischen Kirche ausmachen werden.

Und Leo XIV. knüpft nahtlos an die von seinem Vorgänger verfasste Laudato Si an – Umweltkrise ist das Schlagwort. Auch da sollen Jesuiten mitreden – um unter dem Vorwand, die Umwelt zu schützen, „die Menschen dazu zu bringen, einen nicht-biblischen Ruhetag, den Sonntag zu halten und den biblischen Sabbat außer acht zu lassen.“

Die Ansprache Leos XIV. an die Jesuitenoberen macht nicht nur deutlich, dass das Tier aus Offenbarung 13, welches aus protestantischer Sicht mit der katholischen Kirche assoziiert wird, wieder erstarkt. Sie macht auch deutlich, wie das erreicht werden soll: Mit Hilfe eines Ordens, dem alle Mittel recht sind, um seine Ziele zu erreichen, dessen Mitglieder an den Schaltstellen politischer und religiöser Macht jedweder Couleur sitzen. Es ist gut, darum zu wissen. So ist zu verstehen, wie viele gesellschaftliche und innerkirchliche Fehlentwicklungen zustande kommen. Schutz davor bietet das Wort Gottes, welches beschreibt, dass Jesus Christus am Ende als Sieger aus der Geschichte hervorgeht. Ihm schon heute nachzufolgen bietet Sicherheit bei Allem, was noch kommen wird.

StpH, 03.12.2025


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