Warum betreibt die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten Öffentlichkeitsarbeit?

17. November 2016, Adventist News Network, Ganoune Diop / Bettina Krause

Dr. Ganoune Diop, Leiter der Abteilung „Öffentliches und Religionsfreiheit“ (Public Affairs and Religious Liberty, PARL) der Weltkirche der Siebenten-Tags-Adventisten, war kürzlich auf zwei bedeutenden internationalen Treffen: der „Sekretärskonferenz der Christlichen Weltgemeinschaften“, die in Rom stattfand, und der Versammlung des „Afrikarates der Religiösen Führer – Religionen für Frieden“ in Abuja (Nigeria).

In einem Gespräch mit Bettina Krause, Leiterin der Abteilung Kommunikation bei PARL, erklärt er, warum er als Repräsentant der Adventgemeinde solche Einladungen annimmt.

Bettina Krause: Dein Reiseplan ist voll mit den verschiedensten Treffen, darunter religiöse Versammlungen, von internationalen Organisationen wie der UNO gesponserte Veranstaltungen und Zusammenkünfte mit säkularen und politischen Führern. Warum lässt sich PARL auf die Begegnung mit solchen Gruppen und Personen ein?

Ganoune Diop: Das erste Wort im Titel unserer Abteilung – „Öffentliches“ – beschreibt sehr prägnant ein Herzstück unserer Mission. Bei allen unseren Aktivitäten versuchen wir, die Gemeinde in der Öffentlichkeit in eine Position der Sichtbarkeit, Glaubwürdigkeit, Relevanz und Vertrauenswürdigkeit zu rücken. Dazu müssen wir bereit sein, die Mission und Werte der Adventgemeinde jedem weiterzugeben, ob er ein öffentliches Amt bekleidet oder eine Glaubensgemeinschaft vertritt. Unsere Abteilung hier bei der Generalkonferenz und jeder PARL-Direktor in den Divisionen der Weltkirche ist beauftragt, darauf hinzuarbeiten, die öffentliche Wahrnehmung unserer Gemeinde zu beeinflussen und hilfreiche Beziehungen mit einflussreichen Personen der Gesellschaft aufzubauen.

Dies ist zunehmend wichtig geworden, da die adventistische Kirche in den letzten zwei Jahrzehnten enorm gewachsen ist – bei der letzten Zählung waren es mehr als 20 Millionen Mitglieder – und die Reichweite ihrer Mission weiter ausbaut. Mit zunehmender Präsenz in der Welt müssen wir den Leuten sagen, wer wir sind, statt dass wir uns auf die Darstellung anderer verlassen. Wir möchten uns selbst vorstellen und beschreiben können.

BK: Viele Leute sehen PARL als die Abteilung, die Religionsfreiheit verteidigt, was auch einen Großteil unserer Arbeit ausmacht. Ist die Initiative im Bereich „Öffentliches“ eine neue Entwicklung?

GD: Nein, überhaupt nicht! Sie gehört zum Mandat unserer Abteilung und ist Teil der ausdrücklichen Mission von PARL, wie sie in den Richtlinien der Generalkonferenz definiert ist. Diese Richtlinien beauftragen PARL mit der Pflege interreligiöser Beziehungen und dem Kontaktaufbau mit einflussreichen Personen. Es ist wichtig zu verstehen, dass dies nicht Ökumene in ihrer negativen Bedeutung ist. Es geht hier nicht darum, die Identität der Gemeinde oder ihre prophetische Stimme zu verwässern – in keinster Weise. Der Sinn ist vielmehr, treu gegenüber dem Auftrag zu sein, den Christus seiner Gemeinde gegeben hat. Die Adventgemeinde kann ihre Mission unmöglich erfüllen, ohne in Kontakt mit anderen zu treten. Ich glaube, das ist der Kernpunkt. Wir müssen bereit sein zur Begegnung mit politischen und christlichen Leitern, mit Führern anderer Religionen und Atheisten, und wir müssen unseren Glauben bezeugen. Wenn wir unser biblisches Mandat umsetzen wollen, dürfen wir keine Gruppe oder Einzelperson von der Reichweite unseres Zeugnisses ausschließen.

Folglich suchen wir als Abteilung nach Plattformen und Foren, wo wir bezeugen können, wer Adventisten sind und was sie in der Welt tun.

BK: Du befasst dich seit 2011mit der Arbeit des Beziehungsaufbaus und der Kontaktpflege, zuerst als Verbindungsperson zur UNO und anderen internationalen Organisationen und seit 2015 als Leiter der Abteilung. Hast du konkrete Vorteile für die Gemeinde und ihre Mission als Resultat gesehen?

GD: Ja, das habe ich! Grundsätzlich profitieren wir erst einmal davon, dass wir einfach treu gegenüber Gottes Auftrag sind, Licht und Salz in der Welt zu sein. Dabei kommen wir nicht umhin, uns unter andere Menschen zu mischen, um Zeugnis zu geben und dem Beispiel Christi zu folgen, der „sich unter die Menschen mischte als jemand, der ihr Bestes wollte“, wie Ellen White sagt.

Natürlich müssen wir uns gegen die Gefahr wappnen, unsere eigene „Würze“ zu verlieren, wenn wir Salz für die Welt sein wollen. Aber die Sorge, unsere Botschaft oder Identität zu verlieren, darf die Mission selbst nicht aushebeln! Das ist ganz logisch. Das Risiko bringt uns dazu, vorsichtig zu sein, aber es hebt nicht unseren Auftrag auf.

Ein anderer konkreter Vorteil, den ich viele Male erlebt habe, ist, dass die Menschen von uns selbst hören und erfahren statt aus zweiter Hand oder durch den Filter von jemandem, der der Adventgemeinde vielleicht feindselig gegenübersteht. In der Begegnung mit religiösen oder weltlichen Führern können wir Vorurteile abbauen und Vertrauen aufbauen. Sie sehen, dass die Adventgemeinde nicht eine isolierte Gruppe ist, die sich nur um sich selbst dreht, sondern eine große Bandbreite von Dienstleistungen für die Gesellschaft anbietet: im humanitären Bereich, im Gesundheits- und Bildungsbereich etc. Sie sehen, dass wir unsere Brüder und Schwestern in der Menschheitsfamilie unterstützen und sie aufrichtig und authentisch lieben, wie Jesus es tat.

BK: Vielleicht fragt sich der eine oder andere: „Ist es wirklich so wichtig, einen guten öffentlichen Ruf zu haben?“ Kannst du ein Beispiel nennen, warum dies für die Adventgemeinde von Bedeutung ist?

GD: Im Februar dieses Jahres [2016] war ich in Moskau auf einem Treffen des „Globalen Christlichen Forums“, wo christliche Leiter zusammenkommen, um ein besseres Verständnis voneinander zu gewinnen und über gemeinsame Anliegen wie die weltweite Christenverfolgung zu sprechen. Als wir um den Tisch saßen, erzählte der frühere Sekretär der Gruppe, Hubert van Beek, von seinem kürzlichen Besuch im Mittleren Osten. Er hatte sich dort mit anderen regionalen christlichen Führern getroffen, und sie hatten einen Vorschlag diskutiert, die Siebenten-Tags-Adventisten von der Liste der offiziellen christlichen Kirchen zu streichen. Nun könnte man einwenden: „Warum sollte uns das bekümmern?“ Nun, wenn die Adventgemeinde keine Anerkennung durch die Regierung hätte, würden ihre Aktivitäten auf einmal stark eingeschränkt werden. Sie würde ihren rechtlichen Status verlieren und könnte nicht einmal mehr Eigentum wie eigene Kapellen haben, um dort Gottesdienste abzuhalten. Nun, Hubert hat sich für uns eingesetzt. Er hat den christlichen Leitern gesagt, dass er jedes Jahr beim Globalen Christlichen Forum Kontakt mit Adventisten habe und dass sie echte Christen seien, keine Randsekte. Das Ergebnis war, dass die Adventgemeinde ihren legalen Status behalten hat und damit ihre Fähigkeit, in diesem Land zu funktionieren.

Ich habe viele andere solcher Fälle gehört. Es macht einen realen Unterschied, ob die Adventgemeinde als glaubhafte, vertrauenswürdige und international anerkannte Organisation wahrgenommen wird oder nicht. Unsere Fähigkeit zu funktionieren, unsere Mission auszuführen und adventistische Institutionen zu etablieren, kann in hohem Maße davon abhängen, welches Bild die Regierung und andere große religiöse Gruppen von uns haben. Ich bin gerade aus Nigeria zurückgekommen. Dort ist unsere Gemeinde als verlässliche und dienstorientierte Kirche bekannt, die durch Krankenhäuser und Schulen ein Segen für die Gesellschaft ist.

Außerdem ist es wichtig, dass wir andere so verstehen, wie wir verstanden werden möchten. Wir möchten uns selbst erklären können, und wir müssen auch anderen religiösen Gruppen die Gelegenheit einräumen, sich selbst zu erklären. Es hilft uns nicht, wenn wir Unwissen und Vorurteile über den anderen haben. Aber wir verstehen die Menschen besser, wenn wir ihnen zuhören und sie ihre Hoffnungen, Ängste und Wünsche aussprechen können, selbst wenn wir ihre Meinung nicht teilen. So lernen wir auch, was wir ihnen anbieten können, um ihren Nöten abzuhelfen.

Wir brauchen ein tieferes Verständnis für die Gründe, warum wir uns unter die Menschen mischen und auf sie einlassen – Gläubige wie Atheisten, prämodern, modern und postmodern, säkular wie postsäkular. Niemand ist von unserer Mission ausgeschlossen.

BK: Du erhältst zahlreiche Einladungen von unterschiedlichen Gruppen und auch Bitten, bei Veranstaltungen zu sprechen. Wie entscheidest du, ob du eine Einladung annimmst und was mit dem von dir beschriebenen Auftrag übereinstimmt?

GD: Nun, Menschen laden uns ein, weil sie denken, dass Adventisten zum jeweiligen Anlass etwas sagen haben. In Nigeria beim Treffen des Afrikarates der Religiösen Führer ging die Diskussion darum, wie man eine friedlichere und tolerantere Gesellschaft aufbauen kann. Ich wurde als Sprecher eingeladen, weil die Veranstalter der Meinung waren, dass die theologische und biblische Perspektive der Adventisten etwas Wichtiges zur Diskussion über ein friedliches Zusammenleben beitragen könne.

Mein erstes Kriterium ist also: Können wir etwas mitbringen, was diesen Menschen von Nutzen ist? Gleichzeitig muss ich fragen, ob auch unsere Gemeinde davon profitieren kann. Wird unsere Sichtbarkeit verbessert? Werden Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufgebaut, Vorurteile und Fehlinformationen dagegen abgebaut? Kann ich adventistische Werte vermitteln? Werden wir dadurch als Menschen wahrgenommen, die sich nicht isolieren, sondern ein Segen für unsere Gesellschaft sein und ihr die prophetisch-biblische Botschaft weitergeben wollen, die uns vom Himmel anvertraut worden ist?

Gott berief Israel, damit das Volk ein Segen für die Welt wäre. Ich glaube, dass die Berufung der Adventgemeinde mit demselben Wunsch Gottes verbunden ist: durch uns die Welt zu segnen. Er hat uns nicht berufen, weil wir außerordentliche Menschen wären oder eine Sonderbehandlung verdient hätten. Nein, er hat uns gerufen, der Welt ein Licht zu sein, ein spürbarer Ausdruck von Christi Liebe für diese Welt. All das ist Teil davon, was unsere Abteilung PARL ausdrücken und verkörpern möchte.

Deswegen engagiere ich mich dafür, mich mit Leitern anderer christlicher Denominationen zu treffen, mit Führern anderer Glaubensgruppen und auch mit säkularen und politischen Führern – ohne Ausnahmen.

Seit 2014 habe ich das Amt des Sekretärs einer Gruppe inne, die „Sekretärskonferenz der Christlichen Weltgemeinschaften“ heißt. Diese Gruppe besteht aus Führungspersonen eines breiten Spektrums christlicher Glaubensgemeinschaften. Ja, es gibt dogmatische Unterschiede, die unmöglich unter einen Hut zu bringen sind. Aber wir können trotzdem zusammen reden und friedlich miteinander auskommen. Auf den Versammlungen dieser Gruppe geht es für mich rein darum zu zeigen, wer wir sind, was wir tun und wie wir der Gesellschaft helfen. Im Unterschied zu Organisationen wie dem Weltrat der Kirchen gibt es keine gemeinsamen Zielvorgaben, keine Bedingungen für die Mitgliedschaft oder Mitgliedsbeiträge. Wir schreiben noch nicht einmal Protokolle. Es geht hier allein um interreligiöse Beziehungen – das Bemühen, andere besser zu verstehen und auch mehr Verständnis für Adventisten aufzubauen.

In meiner Rolle bei PARL treffe ich viele Führungspersonen aus christlichen wie nichtchristlichen Glaubensrichtungen. Anfang dieses Monats traf ich in Nigeria den Sultan von Sokoto. Er ist der geistliche Führer der 70 Millionen Muslime im Land. Auch habe ich in diesem Monat viele christliche Führer in Rom getroffen, darunter Christen der Anglikanischen Gemeinschaft, der Baptistischen Weltallianz, des Lutherischen Weltbundes, der Mennonitischen Weltkonferenz, der Heilsarmee, der Katholiken und viele mehr. In den kommenden Wochen werde ich politische Führer in Zentralasien und Westafrika besuchen.

Die Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten kann in dieser Welt einen einzigartigen Beitrag zum Leben leisten. Wir setzen uns für Bildung, Gesundheit und Gerechtigkeit ein, weil wir glauben, dass Gott die Menschen bei der Schöpfung mit einer innewohnenden Würde und unendlichem Wert ausgestattet hat. Aber wir haben auch etwas über ein Leben zu sagen, das das Hier und Jetzt übersteigt – die Hoffnung auf ein kommendes, ewiges Leben.

Das ist es, was mich antreibt und motiviert, all diesen Menschen zu begegnen. Die Verantwortung, für jeden und überall Salz und Licht zu sein, ist der Motor der Arbeit von PARL. Die Sorge, wir könnten unsere besondere Identität verlieren – die Furcht vor synkretistischen Verbindungen –, sollte niemals die Lebendigkeit der Botschaft oder unsere Treue gegenüber dem Herrn der Mission für die Welt unterdrücken, bis er wiederkommt.


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